Die Frau des Germanen
ein.
»Diese Ehe wird von der Göttin nicht gesegnet«, beharrte Skandor. »Seht es doch ein!«
Arminius ging mit gezücktem Schwert auf die beiden zu, aber sie wichen um keinen Schritt zurück.
»Gebt die Braut heraus!«, beharrte Skandor. »Noch vor der Hochzeitsnacht!«
Arminius sah jeden der beiden verächtlich an. »Also hat Fürst Segestes absichtlich so lange gewartet? Hat er euch befohlen,
den Torwächter zu töten, damit an diesem Tag Blut fließt? Glaubt er wirklich, ich lasse von seiner Tochter ab, weil er versucht,
den Willen der Götter zu manipulieren? Dann kehrt zurück und sagt ihm, dass ich mich nicht übertölpeln lasse.« |196| Nun lächelte er, was die beiden Abgesandten der Eresburg stärker verunsicherte, als wenn er ihnen die Spitze seines Schwertes
auf die Brust gesetzt hätte. »Merkt euch diese Worte, gebt sie Fürst Segestes genau wieder: Meine Liebe zu Thusnelda ist groß
genug, um einem schlechten Omen zu trotzen. Wenn auch an diesem Tag Blut geflossen ist, wenn auch der Kreis gebrochen wurde
– Fürst Segestes’ Tochter ist mein!«
Hermut suchte Inajas Blick, als wollte er ihr sagen: Und du bist mein Weib, auch unsere Liebe wird das schlechte Omen überwinden.
Doch Inaja beachtete ihn nicht. Sie starrte auf Thusnelda, die hochaufgerichtet dastand und so aussah, als wollte sie mit
ihrem Bräutigam in den Tod gehen, wenn es sein musste. Auch Inaja richtete sich hoch auf. So stolz wie eine Fürstin wollte
sie aussehen. Mit ihrem Bräutigam in den Tod gehen wollte sie allerdings nicht.
Skandor und Wiborg brauchten eine Weile, um sich Arminius’ Worte einzuprägen. Inaja wurde klar, dass er ins Schwarze getroffen
hatte. Fürst Segestes hatte einen perfiden Plan geschmiedet. Nicht gewaltsam wollte er seine Tochter zurückholen, nein, er
wollte Arminius zwingen, sie freiwillig herauszugeben. Damit, dass Arminius den Göttern trotzen würde, hatte er anscheinend
nicht gerechnet.
Inaja starrte Skandor und Wiborg an. Wie würden sie auf Arminius’ Worte reagieren? Was hatte Fürst Segestes den beiden befohlen,
sollte ihnen die Herausgabe der Braut verweigert werden?
Arminius schien diese Frage nicht zu kümmern. »Sagt eurem Herrn, dass ich euch nur laufen lasse, damit ihr ihm meine Antwort
übermitteln könnt. Für das Leben meines Torwächters wird er noch zahlen.« Er sah Wiborg zornig an. »Und du auch!«
Wiborg nahm das Schwert in die linke Hand und schüttelte das Blut von seiner rechten. »Was ist schon das Leben Eures Torwächters
gegen das einer Fürstentochter?«
Nun nahm er seine Waffe wieder in die rechte Hand und |197| folgte dem Zeichen, das Skandor ihm gab. Die beiden machten sich daran, die Teutoburg zu verlassen – rückwärts, ohne den Blick
von Arminius zu nehmen. Als Hermut seine Waffe erhob, wurde ihr Rückzug noch vorsichtiger. Wer Arminius kannte, der wusste
auch etwas von Hermut, der seinem Freund immer zur Seite gestanden hatte, wenn er in Bedrängnis geraten war.
Arminius und Hermut machten zwar keine Anstalten, sie zurückzuhalten, aber Skandor und Wiborg schienen dem Frieden nicht zu
trauen. Sie hielten ihre Waffen fest umklammert, während sie sich rückwärts schoben, als rechneten sie damit, jeden Augenblick
angegriffen zu werden.
Inaja trat einen Schritt vor, stellte sich an die Seite ihrer Herrin und konnte nun sehen, was Arminius und Hermut augenscheinlich
schon länger beobachteten und Thusnelda ebenfalls. Im Rücken der beiden Eindringlinge waren zwei junge Männer aufgetaucht.
Der eine hielt ein langes Fleischermesser in der Hand. Es war Bodo, der Sohn des Torwächters, der auf der Teutoburg für das
Schlachten der Tiere und die Verarbeitung des Fleisches zuständig war. Sein Bruder Irminar, ein Zimmermann, stand neben ihm
und hatte seine Axt erhoben. Inaja sog scharf die Luft ein, woraufhin Thusnelda mit einer erschrockenen Handbewegung abwehrte.
Unauffällig nickte Inaja ihr zu. Nein, kein Laut würde über ihre Lippen kommen. Sie hatte begriffen, warum Arminius sich so
großzügig gab, und sie würde nichts tun, um Skandor und Wiborg zu warnen.
Die beiden schienen zu fühlen, dass die ganze Teutoburg den Atem anhielt. Vorsichtig blickten sie nach rechts und links, ohne
den Kopf zu bewegen. Ihr Augenmerk ruhte weiterhin auf Arminius und Hermut. Sie spürten die Gefahr, aber sie ahnten nicht,
dass sie nicht vor ihnen stand, sondern in ihrem Rücken lauerte. In kleinen Schritten bewegten sie
Weitere Kostenlose Bücher