Die Frau des Germanen
ihnen Inaja und Hermut.
Aelda empfing sie mit den Worten, dass die Göttin Freya ihren Bund segnen wolle. Sie griff nach einer roten Schärpe und verband
damit Thusneldas rechte Hand mit Arminius’ und Inajas Rechte mit Hermuts. »Wollt ihr Gefährten sein für den Rest eures Lebens?«,
fragte sie jedes Paar.
Nachdem alle vier ihre Absicht bekräftigt hatten, reichte Aelda ihnen geweihten Wein und geweihtes Brot. »Speiset einander!
Wenn ihr euch satt machen könnt, werdet ihr füreinander leben können.«
Die erste Prüfung der beiden Brautpaare! Die rechten Hände miteinander verschlungen, reichte Thusnelda ihrem Bräutigam mit
der Linken das geweihte Brot, und er setzte ihr, ebenfalls mit der Linken, den Becher mit dem geweihten Wein an die Lippen.
Inaja und Hermut taten es ihnen gleich, die Priesterin und die Angehörigen, die im Innenkreis standen, achteten darauf, dass
nichts verschüttet oder verkrümelt wurde. Außer Wiete. Arminius’ Schwester stand da und starrte über die beiden Brautpaare
hinweg.
»Nun schreitet dreimal ums Feuer herum«, sprach Aelda. »Ihr werdet nun nicht mehr geleitet, sondern leitet euch gegenseitig.
Kommt dem Feuer nicht zu nahe, es steht für die Versuchung, an der ihr euch verbrennen könnt. Aber kommt auch den Menschen,
die zu euch gehören, nicht zu nahe, denn eure Verbindung muss Bestand haben nicht nur im Familienverband, sondern auch, wenn
ihr auf euch selbst gestellt und aufeinander angewiesen seid. Und das Wichtigste: Verliert euch nicht! Zeigt der Göttin, dass
ihr in Verbundenheit das Leben meistern werdet.«
|192| Durch die rote Schärpe miteinander verbunden, wagten Thusnelda und Arminius ihre ersten gemeinsamen Schritte. Thusnelda schloss
die Augen, kniff sie fest zusammen und öffnete sie dann umso weiter. Ihr Weg als Arminius’ Ehefrau begann!
Vorsichtig umrundeten sie das Feuer, ohne dass Thusneldas Rock den Flammen zu nahe kam, ohne dass es einen unsicheren Schritt
gab, ohne dass sich einer besonders stark oder der andere besonders schwach zeigte. Nein, sie achteten aufeinander, jeder
auf die Sicherheit des anderen bedacht, wie ein Paar es tun sollte, das einen langen gemeinsamen Weg geht und dabei fest miteinander
verbunden ist.
Inaja stellte fest, dass die Umrundung des Feuers mit verbundenen Händen nicht so leicht war, wie sie gedacht hatte. Tatsächlich
ging es nur, wenn man sich aufeinander einstellte, Rücksicht auf den anderen nahm, aber auch nicht verzagt auf die Hilfe des
anderen wartete. Verbunden – aneinandergefesselt, wie es Inaja vorkam – durfte der eine sich nicht vom anderen entfernen und
musste sich in der gemeinsamen Richtung sehr sicher sein. Hermut hatte Mühe, Inaja zurückzuhalten, damit sie sich nicht zu
schnell bewegte und ihre Verbundenheit in Gefahr brachte. In ihrem Bemühen, ihn mit sich zu ziehen, kam sie selbst einmal
beinahe ins Straucheln. Von da an konzentrierte Inaja sich auf Thusneldas ruhige, gleichmäßige Bewegungen und versuchte, es
genauso zu machen wie sie – so lange, bis sie die Geräusche hörte …
Thusnelda und Arminius stockten gleichzeitig, die rote Schärpe, die sie verband, hielt dem Erschrecken jedoch stand, denn
die beiden waren sich darin so ähnlich wie in ihrer Reaktion darauf. Auch durch die Anwesenden ging ein Ruck. Ihre Aufmerksamkeit
wandte sich prompt von den Brautleuten ab. Dass die beiden Paare das Feuer gerade zum ersten Mal umrundet hatten, war plötzlich
nicht mehr wichtig. Die Geräusche kamen näher, laute Männerstimmen, das Wiehern eines Pferdes und dann … das Klirren von Metall.
»Bewaffnete Reiter«, flüsterte Thusnelda.
Arminius warf Eiliko einen Blick zu, der tief einatmete, als |193| wollte er in die Breite wachsen, damit in den Kreis, der um die Brautpaare geschlossen worden war, niemand eindringen konnte.
»Weiter, Thusnelda!«, gab Arminius leise zurück. »Das Feuer dreimal umrunden! Sonst wird dein Vater unsere Ehe anfechten.«
»Du meinst …?« Thusnelda sprach nicht weiter, sondern folgte Arminius bereitwillig auf dem Weg um das Feuer herum, der nun
leichter geworden war, weil die beiden Kreise sich gelockert hatten, was dem Brautpaar mehr Raum verschaffte.
Inaja, die Arminius’ Worte gehört hatte, wurde jetzt von der gleichen Sorge getrieben. »Was immer geschieht«, raunte sie Hermut
zu, »ich will mit dir verheiratet sein, wenn es geschieht! Wir müssen uns beeilen!«
Hermut reagierte schnell, aber nicht
Weitere Kostenlose Bücher