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Die Frau des Germanen

Die Frau des Germanen

Titel: Die Frau des Germanen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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reicht’s!« sagte Severina. »Morgen hole ich Gaviana zurück. Terentilla macht wirklich nichts als Ärger.«
    Der kleine Silvanus lief zu Terentilla, sank neben ihr auf die Knie und streichelte das Gesicht der Sklavin. Mit einer letzten
     Willensanstrengung öffnete sie die Augen und versuchte zu lächeln. Es gelang ihr nicht, aber der Blick, den sie Silvanus schenkte,
     war voller Dankbarkeit. Die Sklavin Terentilla bekam in ihrem letzten Augenblick etwas, was sie ihr Leben lang entbehrt hatte:
     ein wenig Mitleid und Zärtlichkeit.
     
    In Germanien begann das Jahr 9 n. Chr. mit einem seltsamen Zeichen. Am ersten Tag des Jahres, kurz nach Mitternacht, gab es
     ein kurzes Gewitter. Drei Blitze zuckten über den Himmel, drei Donnerschläge folgten, und dann erschien Thors Hammer am Himmel.
     Thor, der mächtige Gott des Blitzes und des Donners, |205| der Herr des gefürchteten Hammers Miölnir, den er gegen seine Feinde führte, er hatte ein Zeichen gegeben.
    Die Priesterin Aelda, die den Hammer am Himmel gesehen hatte, war sich seiner Bedeutung sicher: »Ein schlechtes Vorzeichen
     für die Römer«, erklärte sie. »Thor wird seinen Hammer schleudern und damit die römischen Legionen vernichten.«
    »Wir können es wagen«, sagte Arminius, bevor er am Abend zum Thing aufbrach. »Die Zeichen stehen gut.«
    Immer zu Vollmond trafen sich die Stammesführer in ihrem heiligen Hain. Jeder kam mit einem Priester, sie alle bildeten dann
     einen großen Kreis auf dem Versammlungsplatz. Einer nach dem anderen rammte einen Haselnusspfahl in den Boden. Sie wurden
     mit Seilen verbunden, die aus den Schweifen von geweihten Rössern geflochten worden waren. In der Mitte der Versammlung stieß
     dann der höchste Cherusker, das war Arminius, einen Pfahl aus Eichenholz in den Boden. Der war dem Gott Tiwaz gewidmet, der
     die Rechtsprechung schützte. Erst wenn alle versammelt waren, wurde das Thing eröffnet, und jeder brachte vor, worüber beraten
     werden sollte.
    Auf den Thing-Versammlungen wurde über Krieg und Frieden abgestimmt und vor allem Recht gesprochen. Wer eines schweren Vergehens
     für schuldig befunden wurde, musste mit einer harten Strafe rechnen. So konnte aus einem freien Mann ein unfreier werden,
     oder er musste mit seinem Hab und Gut für sein Vergehen bezahlen. Beim letzten Thing war über das Leben einer Frau beschlossen
     worden, die des Ehebruchs überführt worden war, und über das eines Mannes, der seinen Nachbarn heimtückisch ermordet hatte,
     um an dessen Besitz zu kommen. Beide Übeltäter waren zum Tode verurteilt worden und wurden am Tag darauf im Moor versenkt.
     Friedensbruch und Frevel gegen die Götter wurden ebenfalls ähnlich hart bestraft.
    Oft wurden auf einem Thing aber auch Beschlüsse gefasst, die Thusnelda freuten, wenn Arminius ihr später davon erzählte. Unfreie
     beispielsweise, die sich in der Gemeinschaft bewährt |206| hatten, wurden zu freien Germanen gemacht und damit in die Gesellschaft eingegliedert.
    Erst seit Thusnelda verheiratet war, wusste sie etwas über die Thing-Versammlungen. Ihr Vater hatte nie ein Wort über das
     verloren, was dort geschah. Sie war immer voller Angst gewesen, wenn er zum Thing aufbrach, weil er stets schwer bewaffnet
     loszog. Heute wusste sie, dass zwar alle Stammesfürsten mit ihren Waffen kamen, dass aber bei einem Thing strenge Waffenruhe
     galt. Die Schwerter und Säbel hatten eine andere Bewandtnis: Fand ein Antrag, der vorgebracht worden war, die Zustimmung aller
     Versammelten, dann wurden die Waffen zusammengeschlagen, der Antrag galt damit als angenommen. Sämtliche Beschlüsse waren
     anschließend in die Tat umzusetzen.
    Dass in letzter Zeit römische Richter das Recht in Anspruch nahmen, über germanische Sippen- und Stammesstreitigkeiten zu
     richten, war ein großes Ärgernis. Obwohl seit Menschengedenken sämtliche Urteile im heiligen Hain gefällt worden waren, sollten
     die Thing-Versammlungen überflüssig werden. Zum Glück war das den römischen Besatzern bisher nicht gelungen, jedenfalls nicht
     ganz. Mit Gewalt wollten sie anscheinend nicht gegen das Thing vorgehen, denn das Zerstören des heiligen Hains galt als schwerer
     Frevel. Es war die größte Beleidigung, die man einem Germanen zufügen konnte. Davor schreckten die Römer zurück. Trotzdem
     kam es immer häufiger vor, dass diejenigen, die sich im Recht glaubten, ihre Klagen vor einen römischen Richter brachten.
     Und das, obwohl die Prozesskosten gewaltig

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