Die Frau des Germanen
Zimmer für sie habe,
in dem sie ihre Mahlzeiten einnehmen und sich ausruhen kann?«
Am Ende des Ganges, dort, wo der Hund angekettet war, öffnete sich ein Verschlag, und eine Frau … nein, ein Mädchen erschien.
Sehr jung, höchstens zwölf Jahre alt, zart, durchscheinend, |220| geradezu mager. In der Hand trug sie einen Nachttopf, den sie anscheinend gerade geleert hatte. Er stank abscheulich. Sie
blickte nicht auf, als sie in ihre Kammer zurückging.
Pollio warf ihr einen verächtlichen Blick nach. »Die werde ich morgen wieder auf den Sklavenmarkt schicken und verkaufen.
Es gibt nicht so viele Männer, die gern mit Kindern schlafen, wie ich dachte.«
Severina hörte nicht, was er sagte. Sie nahm den Blick nicht von Gavianas Gesicht, denn sie wartete darauf, dass sich dort
endlich ein Erkennen zeigte, ein wenig Freude und die Dankbarkeit, die Severina erwartete. Doch in Gavianas Miene regte sich
nichts. Sie starrte Severina an, als hätte sie die schöne Römerin noch nie in ihrem Leben gesehen.
»Die meisten wollen eben doch Frauen haben«, plauderte Pollio weiter, »an denen was dran ist. Die beiden Knaben, die ich im
Angebot habe, werden auch nur selten besucht. Einen blonden müsste ich haben, mit heller Haut, der würde Gewinne bringen.«
Er rieb Daumen und Zeigefinger vor Severinas Augen und grinste boshaft. »Am besten nicht älter als sechs Jahre …«
Weiter kam er nicht. Severina holte aus und schlug ihm mit der flachen Hand das Lächeln aus dem Gesicht.
Der Hund begann prompt zu bellen und riss an seinen Ketten. Pollio griff ungläubig an seine Wange, als wollte er kontrollieren,
ob Severina ihn tatsächlich geschlagen hatte. Nebenan erwachte die dicke Frau aus dem Schlaf und rief nach einem gewissen
Sabinus. Schon wurde die Tür aufgerissen, durch die Severina das Bordell betreten hatte. Ein riesiger Kerl stand im Gang,
der nichts als ein knappes Lendentuch trug. Er schwang eine Peitsche in der Hand, die aus mehreren Lederriemen bestand, an
deren Enden Metallkugeln klickten. »Was ist hier los?«
Pollio winkte erschrocken ab. »Nichts! Ein Versehen! Es ist alles in Ordnung.«
In Gavianas Gestalt war endlich Leben gekommen. Nun saß sie aufrecht da, die Lethargie fiel von ihr ab, die Hilflosigkeit
sank von ihren Schultern, das Leben kehrte in ihre Augen zurück.
|221| »Ihr sorgt dafür, dass sie sich waschen kann«, sagte Severina mit schneidender Stimme, »und gebt ihr eine saubere Tunika.
In zwei Stunden lasse ich sie abholen, und zwar aus Eurem Wohnhaus. Verstanden? Mein Sklavenaufseher, den ich schicke, wird
Euch bezahlen.«
Severina drehte sich um und ging. Sie verzichtete darauf, Gaviana noch einmal anzusehen, weil sie sich nicht darüber ärgern
wollte, dass keine Dankbarkeit im Gesicht der Sklavin zu erkennen war. Der Kerl, der noch immer mit erhobener Peitsche dastand,
ließ sie nun sinken, öffnete die Tür und trat respektvoll zur Seite, als Severina an ihm vorbeiging.
Pollio eilte ihr nach, aber Severina drehte sich nicht zu ihm um. Hocherhobenen Hauptes durchschritt sie die Gänge und hatte
zum Glück keine Schwierigkeiten, den richtigen Ausgang zu finden. Auf das Gestammel in ihrem Rücken hörte sie nicht, Pollios
Beteuerungen beachtete sie nicht, sie ging so schnell, dass er keine Möglichkeit hatte, sich an ihre Seite zu drücken.
Eine Viertelstunde später saß sie wieder in ihrer Sänfte. Das Herz schlug ihr bis zum Halse. Vor Wut, vor Ekel und Entsetzen,
aber auch vor Angst. Wenn ein Kerl wie Pollio sich erdreistete, eine Anspielung auf ihren blonden Sohn zu machen, dann wurde
es Zeit, etwas zu ändern. Sie war die Enkelin des Kaisers, und Silvanus war sein Urenkel. Ein blonder Urenkel! Nicht noch
einmal sollte es jemand wagen, an diesem Umstand irgendetwas bemerkenswert zu finden.
14.
I naja hockte im Gras, drängte den Unterkörper so tief wie möglich in das Kühle, Feuchte und konzentrierte sich auf eine regelmäßige
Atmung. »Alles wird gut«, flüsterte sie. »Wenn ich es aushalte, wird alles gut.«
Es tat wohl, seiner Stimme zu lauschen, diesem flachen, |222| gleichmütigen Klang, den sie nur zu hören bekam, wenn er mit anderen sprach. Es machte sie glücklich, dass sie selbst die
Einzige war, die wusste, wie es klang, wenn seine Leidenschaft sprach: fordernd und rücksichtslos. Seine Liebe war wie der
Traum von Rom. Beides konnte nur wahr werden, wenn man dafür bezahlte.
Sie blieb, wo sie war, bis
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