Die Frau des Germanen
von meinen Huren früher einmal Gaviana hieß. Sie bekommen alle neue Namen, wenn sie
für mich arbeiten.«
Severina versuchte Gaviana zu beschreiben, aber Pollio winkte bald ab. »Jung und hübsch sind sie alle. Große Brüste und dicke
Hinterteile haben auch die meisten, sonst kaufe ich sie nicht.« Er dachte noch einmal nach. »Wenn Ihr sie zurückhaben wollt,
geht Ihr am besten und sucht Euch die Richtige aus. Selbstverständlich verlange ich nicht mehr von Euch, als ich Euch gezahlt
habe.«
Severina starrte ihn ungläubig an. »Ich soll in das Bordell gehen?«
|218| »Ich werde Euch selbstverständlich begleiten.« Pollio warf sich in die Brust. »Aber seid ohne Sorge! Um diese Zeit finden
sich nicht viele Männer dort ein. Die meisten kommen erst am Nachmittag, und durchgehend besetzt sind die Huren erst am Abend
und in der Nacht.«
Er betrachtete Severina, während sie darüber nachdachte, ob sie Gaviana unter diesen Umständen überhaupt zurückhaben wollte.
»Die Sklavin, die auf Gaviana folgte, ist tot«, erklärte sie zögernd. »Ich lasse mich nur von Sklavinnen bedienen, an die
ich gewöhnt bin.« Dann erhob sie sich entschlossen. »Also gut! Wo liegt das Bordell? In welchem Stadtteil?«
»Natürlich habe ich mehrere Einrichtungen dieser Art, ein gutes Dutzend, über die ganze Stadt verteilt. Eins befindet sich
in diesem Haus, im Untergeschoss und im hinteren Teil des Erdgeschosses! Ich erinnere mich genau, dass ich Eure Sklavin dort
untergebracht habe.« Pollio ließ sich von einem Sklaven einen großen Schlüssel bringen. »Keine Sorge, Ihr müsst das Untergeschoss
nicht durch den Eingang betreten, den auch die Männer benutzen. Wir nehmen einen anderen Weg. Niemand wird Euch sehen.«
Severina war nicht wohl, als sie Pollio durch Gänge folgte, die immer finsterer und kälter wurden. Aber nun war sie so weit
gegangen, dass sie nicht unverrichteter Dinge zurückkehren wollte.
Schließlich stand sie neben Pollio vor einer schweren eisernen Tür, vor der es ein schwarz-weißes Mosaik gab. Es zeigte einen
großen Hund, der seine Zähne fletschte. »Cave canem« stand unter seinem Bild, »Vorsicht, Hund!«
»Keine Sorge«, beruhigte Pollio sie ein weiteres Mal. »Der Hund ist angebunden. Er wird nur von der Leine gelassen, wenn einer
fliehen will, ohne zu bezahlen.«
Das Bordell war offensichtlich für wenig zahlungskräftige Besucher gedacht. Severina hatte schon von Luxus-Bordellen gehört,
die in Palästen eingerichtet worden waren, in diesem jedoch gab es keine Spur von Luxus. Severina betrat hinter Pollio einen
düsteren Gang, an dessen Ende ein riesiger Hund angekettet war. Er richtete sich auf und knurrte böse, riss an seinen Ketten |219| und ließ sich auch von Pollios besänftigenden Worten nicht beruhigen. Über seinem Platz hing ein in Stein gemeißelter Phallus,
und darüber war die Inschrift eingeritzt: »Habitat felicitas!«
»Hier wohnt das Glück?« Severina schüttelte sich. Was waren das für Kerle, die hier ihr Glück suchten?
Eine Kammer reihte sich an die nächste, jeder Eingang war nur mit einem Vorhang verschlossen. Karge, von Kerzenrauch verrußte
Verschläge, in denen nur Platz für eine gemauerte Liege war, darauf eine flache Matratze. Über jedem Eingang war der Name
der Hure eingeritzt und auch ihr Preis.
Die erste Kammer war leer, die Matratze allerdings zeigte, dass sie noch vor kurzem benutzt worden war. In der zweiten hockte
ein Mädchen am Boden und starrte die Wand an, in der dritten lag eine dicke Frau auf einem schmutzigen Laken und schlief.
In der vierten Kammer verabschiedete sich gerade ein Mann, als Pollio den Vorhang zur Seite nahm. Der Mann erschrak, als er
auf den Gang hinaustrat und Severina sah. Verlegen verbarg er sein Gesicht und verschwand eilig. Severina hatte den Juwelier
aber trotzdem erkannt, der häufig zu ihr kam und ihr seinen Schmuck anbot.
Über der Tür stand der Name Myrtis und daneben ihr Preis: drei Sesterzen. Pollio wollte den Vorhang wieder zufallen lassen,
aber Severina hinderte ihn mit einer schnellen Bewegung. Sie machte einen Schritt vor, über die Schwelle der armseligen Kammer
trat sie jedoch nicht. Sie wäre direkt in die weit aufgerissenen Augen der Hure Myrtis gelaufen, und das schaffte selbst eine
Frau wie Severina nicht.
»Wohnt sie auch hier?«, fragte sie leise.
Pollio warf ihr einen spöttischen Blick zu. »Was glaubt Ihr? Dass ich in meinem Wohnhaus ein kuscheliges
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