Die Frau des Polizisten
und kaute geistesabwesend.
»Erzähl mal. Was hältst du von der Gruppe?«, fragte Anna neugierig.
»Na ja … Bengt Steen mochte ich ja von Anfang an. Er macht einen sicheren, erfahrenen und beherrschten Eindruck auf mich, vielleicht war er etwas unkonkret, als es um die Gruppe ging«, ergänzte sie.
Sie hatte ihn wirklich vom ersten Moment an gut leiden können. Er besaß ein sympathisches Äußeres, war fünfundvierzig Jahre alt und stammte aus Göteborg. Seine Frau war Lehrerin, und sie hatten zwei Töchter im fortgeschrittenen Teenageralter. Sie wohnten in einem Reihenhaus in Önnered, das sich in einem etappenweise aufgehaltenen Verfallbefand, wie er selbst sagte. Er hatte kurzgeschnittenes dichtes graues Haar, und auf seinen Zügen zeichneten sich nicht nur Lach-, sondern auch Sorgenfältchen ab. Sein Körper wirkte trotz des Bauchansatzes durchtrainiert und sehnig.
»Ja, Bengt ist wirklich in Ordnung«, bekräftigte Anna und schnitt ein Stück Käse ab. Erika kniff die Augen zusammen und sah zur Decke; die Schatten dort dehnten sich aus und vertieften sich, die Stuckverzierungen schienen zu wachsen.
»Erik Fahlén scheint ein toller Kerl zu sein«, fuhr Erika fort, während sie in die Dunkelheit des Zimmers starrte. »Durch und durch liebenswert. Aber sicher kann er auch ungemütlich werden?«
Anna nickte zustimmend. Erik war sechsundvierzig, hatte ein rundes, gutmütiges Gesicht mit freundlichen Augen und einen untersetzten Körperbau. Er wohnte auf der Halbinsel Hisingen, Erika wusste nur vage, wo das lag. Genüsslich hatte er mit halbgeschlossenen Augen sein erstes Fastengebäck des Jahres gefuttert.
»Er ist wirklich ein Traumprinz«, sagte Anna mit einem Lächeln. »Hat drei Söhne, die wandelnde Kopien ihres Vaters sind, eine mollige, supersexy Frau, die bäckt und fette Hausmannskost kocht und ihre Männer nach Strich und Faden verwöhnt. Sie wohnen in Kärra, nördlich des Flusses, Richtung Oslo.« Anna zeigte aus dem Fenster, in Richtung der Gasse und der Vasagatan.
»Er liegt seiner Frau offenbar ständig damit in den Ohren, noch ein Töchterchen zu bekommen.« Anna schmunzelte. »Betreibt mit Per Kampfsport; sie schlagen mit Bambusstangen aufeinander ein. Haben beide den schwarzen Gürtel. Und Erik ist zweifelsohne einer unserer besten Vernehmungsleiter. Prost!«, sagte Anna mit einem Lächeln.
»Und dann Aleks, das Prachtexemplar der Truppe«, lachteAnna blubbernd in ihr Glas; Blasen stiegen darin auf. »Er ist frisch geschieden, wusstest du das?« Ihre Augen funkelten vielsagend. Erika ignorierte die Anspielung. Aleks war auf eine Art eitel wie eine Frau und anders als die üblichen Männer, mit denen sie sonst zu tun hatte. Er hatte ein schönes, klassisch geschnittenes Gesicht, war offen und charmant und in ihrem Alter, genau wie Per. Von schlanker Gestalt, mit kupferrotem Haar, Sommersprossen und gekleidet in einen individuellen und frechen Stilmix aus teuren Markenklamotten, Vintage, H&M und Dressman.
»Eigentlich ist es ganz schön traurig«, sinnierte Anna, während sie in die Schatten unter der Zimmerdecke starrte. »Aleks und seine entzückende Frau haben drei Kinder, der Kleinste ist noch nicht mal ein Jahr alt. Erst vor einem halben Jahr sind sie von Orust in ein kleines Reihenhaus in Örgryte gezogen. Danach ging die Beziehung auseinander.« Finster schüttelte sie den Kopf, rieb sich fest die Augen und lächelte sie weich an.
»Und Torbjörn …? Ist das ein komisches Gefühl für dich?«
Torbjörn Stark. Erikas Gedanken schweiften ab zu dem monströsen Muskelpaket, der wandelnden Karikatur eines Machopolizisten; über eins neunzig groß, breit wie eine Scheunenwand, mit rasiertem Schädel, scharfen Augen und einem Stück Kautabak unter der Oberlippe. Er hatte die gleichen kräftigen Unterarme wie Göran, auf dem sich die schwellenden Adern über den Muskelsträngen abzeichneten, und zupackende Hände. Torbjörn und Göran waren während der Studienzeit gut befreundet gewesen. Nicht eng befreundet, aber gut genug, um einen eingeschworenen Männerkreis zu bilden – Loyalität, Ehre, erst die Männer, dann die Frauen, derart. Torbjörn grüßte sie höflich, versuchte aber nicht, seine Distanz zu ihr zu verbergen. Das immerhin musste Erikaihm lassen, er war kein Heuchler. »Es wird schon gehen«, antwortete Erika knapp.
»Das ist ’ne super Truppe, in die du gekommen bist, nur dass du’s weißt«, sagte Anna schließlich und malte mit dem Löffel Schnörkel in die
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