Die Frau des Praesidenten - Roman
in Sekundenschnelleverspeist sein.« Im Laufe der Jahre hatte sich Jadey zu einem echten Vorbild entwickelt, was den Umgang mit Priscilla anging: Sie gab sich immer heiter und blieb vage, ging Fragen aus dem Weg und vermied es, ihr geradeheraus zu widersprechen.
»Meiner Großmutter geht es sehr viel besser«, sagte ich, »sie ist schon fast wieder die Alte.«
»Na, Gott sei Dank«, sagte Jadey. »Chas und Ella sind uns natürlich
mehr
als willkommen – schließlich benehmen wir uns ein
kleines
bisschen besser, wenn Leute zu Besuch sind –, aber für dich muss es eine Riesenerleichterung sein. Also, Maj, die Käsemesser …«
»Zweite Schublade rechts neben dem Ofen«, sagte Priscilla, und ich staunte, wie schnell sie nachgegeben hatte. Dann fügte sie hinzu: »Jadey, ich dachte, du achtest in letzter Zeit auf deine Figur.« Sie lächelte. »Da müssen solche Vorspeisen doch eine große Versuchung sein.« Inzwischen waren Nan und Ginger aus dem Wohnzimmer herübergekommen und lenkten ein wenig von Priscillas unangenehmer Bemerkung ab. »Oh, Alice, wir beten alle für deine Großmutter«, sagte Nan, und Jadey antwortete: »Es geht schon wieder bergauf.« Dann bemerkte Ginger: »Dein Schal ist wundervoll, Alice. Maj, was können wir tun, um zu helfen?«
»Du könntest deine barbarischen Söhne davon abbringen, meinen Rasen umzupflügen.« Priscilla brach in ein kehliges Gelächter aus. »Wenn das so weitergeht, werden meine Fingerhüte und Schwertlilien den Juni nicht erleben.«
Einen Moment lang schwiegen alle, bis Ginger sagte: »Ich vermute, die Jungs werden jetzt sowieso reinkommen wollen.« Sie beeilte sich, zur Vordertür zu kommen, und Jadey verdrehte verschwörerisch die Augen, bevor sie Richtung Küche verschwand.
Priscilla wandte sich an Nan: »Ich werde Alice einen Moment entführen, wenn du erlaubst.«
Ich folgte meiner Schwiegermutter in eine Wandnische hinter dem Badezimmer, das unterhalb der Treppe lag. Von der Eingangshalle aus hatte ich Charlies Brüder als kleine Gruppe im Wohnzimmer stehen sehen und gedacht, dass so ein turbulentesFamilientreffen Charlie und mir guttun würde, allen Spannungen zum Trotz.
In der Nische sagte Priscilla zu mir: »Du hattest kein Recht, Ruby ins Marcus Center mitzunehmen.«
Ich blinzelte. Was hatte ich denn gedacht, worüber sie mit mir würde sprechen wollen? Vielleicht über die Konflikte zwischen ihren Söhnen? Oder etwas viel Banaleres: dass sie mich bitten wollte, die Vogelhäuschen nachzufüllen, solange sie mit Harold in Washington war?
»Das war ganz und gar inakzeptabel«, fuhr sie fort, und ihre Stimme klang weder laut noch aufgebracht, sondern kühl. »Meine Haushaltshilfe geht allein mich etwas an.«
»Ich habe nicht …« Ich zögerte. »Ich habe nicht gewusst, dass es dich stören würde. Das war ganz sicher nicht meine Absicht.« Ich hatte nicht vor, mich bei ihr zu entschuldigen, denn ich war mir keiner Schuld bewusst. Miss Ruby war eine erwachsene Person, ebenso wie ich – wir hatten beide das Recht, ins Theater zu gehen, mit wem wir wollten.
»Vermutlich wolltest du ihr kulturelle Erbauung angedeihen lassen, oder?«
»Priscilla, die Einladung war eine spontane Idee. Ich hatte keinerlei Hintergedanken.«
»Ruby ist seit fünfundvierzig Jahren bei uns angestellt, und wir haben uns immer tadellos um sie gekümmert. Glaubst du, sie wäre sonst Jahrzehnt für Jahrzehnt bei uns geblieben? Es gibt da einiges, was du vermutlich nicht von ihr weißt, zum Beispiel, dass Harold und ich ihr geholfen haben, von einem skrupellosen Ehemann loszukommen. War dir das vielleicht bewusst?« Priscilla war fast einen Meter achtzig groß, aber während sie jetzt sprach, beugte sie sich so zu mir herunter, dass unsere Gesichter nur wenige Zentimeter voneinander entfernt waren. Ich registrierte die Fältchen um ihren Mund, ihren hellvioletten Lippenstift, ihre Zähne, die aus der Nähe etwas kleiner und dunkler wirkten, als ich sie im Gedächtnis hatte; außerdem stand ihr oberer linker Eckzahn ein wenig vor.
Ich öffnete den Mund, um etwas zu sagen, wusste aber einfach nicht, wie ich darauf antworten sollte.
»Ich wäre dir dankbar, wenn du von jetzt an auf solche Einmischungen verzichten würdest«, sagte Priscilla. »Habe ich mich deutlich genug ausgedrückt?«
»Ich hoffe, du machst Miss Ruby keine Vorhaltungen«, sagte ich. »Der Ausflug war allein meine Idee, nicht ihre.« Und dann – ich konnte nicht anders – fügte ich noch hinzu: »Aber bei allem
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