Die Frau des Praesidenten - Roman
Hank.
Hank beginnt tatsächlich zu lächeln. »Diese Norene Davis kriegen wir schon dran, keine Sorge. Aber was mich wirklich interessiert, ist, wie sie darauf kommt, dir ausgerechnet
das
vorzuwerfen.«
Was Hank nicht sagt – das kann er nicht, weil ich die First Lady bin –, ist, dass er entweder vermutet oder weiß, dass die Anschuldigung wahr ist. (Manchmal verschafft es mir eine gewisse grimmige Befriedigung, wie er sich in die Etikette fügen, dass er Charlie Mr. President nennen und aufstehen muss, wenn ich den Raum betrete.
Du hast uns erschaffen
, denke ich dann,
und jetzt musst du uns auf Knien anbeten
.) Wenn Hank die Anschuldigung nicht für glaubhaft hielte, wäre er nicht hier; schließlich bekommt das Weiße Haus täglich Dutzende Briefe, E-Mails und Anrufe von Wahnsinnigen: »Alice Blackwell soll aufhören, meinem Hund im Fernsehen Botschaften zu schicken!«, oder: »Ich bin ein Halbbruder des Präsidenten, der Sohn aus einer Affäre, die sein Vater 1950 hatte, aber gegen zwei Millionen Dollar bin ich bereit zu schweigen.« Solche Unterstellungen gibt es ständig, ebenso wie Morddrohungen, aber wir erfahren nur von den wenigsten Näheres.
»Weiß Charlie, was passiert ist?«, frage ich.
Hank nickt. »Er sagte, ich sollte mich direkt an dich wenden.« Hat Charlie ihm erzählt, dass die Behauptung wahr ist? Ich kann mir nicht vorstellen, dass er es direkt gesagt hat, aber vielleicht hat er Andeutungen gemacht.
Ich sehe aus dem Fenster; wir fahren gerade auf dem Arlington Boulevard nach Osten und lassen die anderen Autos hinter uns, die auf ihrem Weg nach Washington rechts ranfahren müssen, um uns vorbeizulassen.
»Also«, sagt Hank, »wir werden mit dieser Sache schon fertig. Wenn Norene Davis ihr Ding allein durchzieht, hat sie sich mächtig übernommen. Es ist mehr als wahrscheinlich, dass sie einknickt, sobald wir sie ein bisschen einschüchtern. Wenn wir trotzdem mal davon ausgehen wollen, dass sie sich in das Ganze reingesteigert hat und lieber ins Gefängnis geht, als sich zum Schweigen bringen zu lassen – oder sagen wir, sie hält tatsächlich den Mund, aber, hoppla, Moment mal, sie hat es leider schon ihrer Schwester erzählt, ihrem Liebsten, wem auch immer … gehen wir jedenfalls mal davon aus, dass der Vorwurf öffentlich wird. Dann würde ich für
Larry King
plädieren. Wir würden nicht gleich buchen, das sieht zu defensiv aus, sondern zehn, vierzehn Tage abwarten. Dann wählen wir ein anderes Thema – Alphabetisierung, Brustkrebs, was dir am besten passt –, und er setzt dir mittendrin die Pistole auf die Brust. Du streitest alles kategorisch ab.« Aus seinem Szenario ist eine Frage herauszuhören, und ich lasse sie im Raum stehen.
»Und wenn die Korrespondenten Maggie und Doug danach fragen?«, sage ich.
»›Wir würden uns normalerweise mit solchen bodenlosen, empörenden Vorwürfen gar nicht befassen, aber Mrs. Blackwells tiefer Respekt vor diesem sensiblen und kontroversen Thema … bla, bla, bla …‹ Und dann das Übliche – einschäumen, abspülen, wiederholen.«
»Sag nur nicht ›unveräußerliches Recht auf Leben‹.«
»Das ist wohl kaum der richtige Zeitpunkt, die Pro-Choice-Flagge hochzuhalten, Alice.«
»Du hast doch selbst gesagt, dass die öffentliche Akzeptanz für …«
Ganz entgegen seiner Gewohnheit unterbricht mich Hank. Er hat sich in seinem Sitz zu mir herumgedreht, so dass wir einander direkt ansehen. »Die Öffentlichkeit akzeptiert eine First Lady, die ein Recht auf Abtreibung befürwortet. Glaub nur nicht, dass sie deshalb auch eine First Lady akzeptiert, die selbst eine Abtreibung hinter sich hat.«
Also glaubt er doch an die Vorwürfe – er hat recht damit, und ich wusste schon, dass er daran glaubte, aber es verschafft mir eine bittere Genugtuung, dass er es jetzt laut aussprechen muss. Walter und Cal vor uns wirken so aufmerksam und unbeteiligt wie zwei Sphinxe.
Ich sehe Hank in die Augen. »Ich weiß nicht, wer Norene Davis ist, aber die Person, die dahintersteckt, ist eine frühere Freundin von mir namens Dena Janaszewski. Ich habe seit dreißig Jahren nicht mit ihr gesprochen und zuletzt vor ungefähr fünfzehn Jahren etwas von ihr gehört, aber sie – sie und ihr Freund vermutlich … das sind die Einzigen außer Charlie, die etwas von meiner Abtreibung wissen.«
»Würdest du ihren Nachnamen buchstabieren, bitte?« Hank hält wieder sein Blackberry in der Hand. Falls ihn mein Geständnis schockiert, hat er sich zumindest gut im
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