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Die Frau des Praesidenten - Roman

Die Frau des Praesidenten - Roman

Titel: Die Frau des Praesidenten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Curtis Sittenfeld
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Rolle als First Lady überforderte, dass ich bestimmt landesweit, wenn nicht weltweit die berühmteste aller Personen sei, die nie nach Ruhm gestrebt haben. Das war eine Lüge. Richtiger wäre es gewesen, zu sagen, dass ich den Ruhm nicht
gewollt
habe. Ich
habe
nach Ruhm gestrebt, mit großer Skepsis zwar, wiederwillig, aber ich habe Interviews gegeben, vor Kameras posiert und bin mit Charlie in Bussen und Flugzeugen unterwegs gewesen, habe meine eigenen Reden gehalten und bei seinen applaudiert, habe Kirchen, Krankenhäuserund Volksfeste besucht. Ich war an meinem Ruhm nicht unschuldig, genauso wenig wie alle anderen berühmten Menschen. Zwar kommt es immer wieder vor, dass ganz normale Bürger die Aufmerksamkeit der Medien erregen – das Opfer eines besonders abstoßenden Verbrechens oder der Junge, der bei einem Play off den Ball erwischt, mit dem der Home run geschlagen wurde –, aber ihre Berühmtheit ist von kurzer Dauer. Lang anhaltender Ruhm muss dagegen ständig gehegt und gepflegt werden; er ergibt sich nie einfach nur durch Zufall.
    Vielleicht hat das alles 1977 mit Charlies erster Wahlkampagne als Gouverneur begonnen, oder vielleicht schon lange vorher, als Harold Blackwell 1954 für den Posten des Justizministers von Wisconsin kandidierte. Wir warfen uns den Leuten an den Hals. Es gibt sicher geschmackvollere Arten, es zu umschreiben, aber genau das taten wir. Wir gingen auf die Leute zu, wir platzierten Flugblätter vor ihren Haustüren und unter ihren Scheibenwischern, wir appellierten in Fernsehwerbespots an sie und besuchten ihre Schulen, Gemeindehäuser und Bauernmärkte. Wir bettelten um ihre Aufmerksamkeit, bombardierten sie mit Versprechungen und Plänen und verkauften uns an sie – verkauften
ihn
.
    All das taten wir, um so viel Aufmerksamkeit wie nur möglich auf uns zu lenken, und es hat funktioniert, und jetzt beschweren wir uns.
Lasst uns in Frieden
, sagen wir.
Wir haben genauso ein Recht auf unsere Privatsphäre wie ihr.
     
    Vor dem Beginn seiner Rede in Columbus ruft Charlie mich an, um mir zu sagen, dass er Dena für eine völlig unzurechnungsfähige, armselige Schlampe hält. »Bleib ruhig«, sage ich. Ich bemühe mich nach Kräften, nicht in Panik auszubrechen. Dieser Skandal, wenn es denn einer werden soll, ist gerade erst im Entstehen, und ich will abwarten, welche Ausmaße er noch annimmt, bevor ich entscheide, wofür ich meine Energien einsetze.
    Meine Assistentin Ashley und ich sind auf dem Weg von South Lawn in den Empfangsraum, als Nicole Hethcote, dieebenfalls für mich arbeitet, mich anspricht: »Ihre Tochter ist am Telefon, Mrs. Blackwell. Sind Sie zu sprechen?«
    »Ich werde an meinem Schreibtisch drangehen«, sage ich. In meinem Büro im East Wing nehme ich den Hörer ab, sobald es klingelt.
    »Kannst du nicht dafür sorgen, dass Dad endlich mit diesem Franklin-Typen redet?«, sagt Ella. »Nur für fünf Minuten?«
    »Schatz, man darf sich nicht von der Gegenseite die Gesprächsbedingungen diktieren lassen.«
    »Du klingst wie Onkel Hank.«
    Ach, meine Ella. Sie ist inzwischen achtundzwanzig, und ihre Arbeitszeiten bei Goldman Sachs sind schlimmer als Charlies – neunzig Stunden die Woche sind ihr normales Pensum. Manchmal drucken Zeitschriften Fotos ab, auf denen Ella und Wyatt gerade ein Szene-Lokal betreten oder verlassen (neben dem Fitnesstraining, das beide exzessiv betreiben, sind diese Besuche ihre hauptsächliche Freizeitbeschäftigung). Dass sie so exponiert ist, behagt mir gar nicht, und ich muss zugeben, dass mich der Gedanke, dass meine Tochter mehr für eine Flasche Wein ausgibt, als ich in ihrem Alter für die monatliche Miete aufgebracht habe, etwas irritiert, aber zumindest mache ich mir nie Sorgen darum, dass Ella sich unangemessen verhalten könnte. Es ist ein kleines Wunder, wie klug, vernünftig und unbeschwert sie ist, wie sie ausgerechnet die unwahrscheinlichste Kombination aus meinem ruhigen Naturell und Charlies Schalkhaftigkeit geerbt hat. Am meisten überrascht mich, dass sie keinem von uns beiden je Vorwürfe macht. Alltägliche Streitereien hat es zwischen uns immer gegeben, wie in anderen Familien auch, aber selbst diese Kabbeleien, die in ihrer Highschool-Zeit einen Höhepunkt erreichten (neben eher untypischen Themen wie der ständigen Anwesenheit ihres Sicherheitspersonals ging es um Allerweltsdinge wie die Länge ihrer Röcke, abendliche Ausgehzeiten und die dringende Notwendigkeit, in ihrem linken Ohr zwei Ringe zu tragen statt nur

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