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Die Frau des Praesidenten - Roman

Die Frau des Praesidenten - Roman

Titel: Die Frau des Praesidenten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Curtis Sittenfeld
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Stadt die Farm Road 177. Samstag, der 7. September 1963, war ein klarer Abend. Ich trug einen hellblauen Filzrock, eine weiße Bluse mit Peter-Pan-Kragen und hatte eine zartrosa Mohair-Strickjacke dabei. Meine Lippen glänzten hellrosa, und ich roch nach Maiglöckchen (das Parfum war ein Souvenir aus Chicago, ich hatte es mir bei Marshall Field’s gekauft, als meine Großmutter ihre Zobelstola geschenkt bekam) und trug meine Halskette mit dem Herzanhänger. Normalerweise wäre ich zusammen mit Dena und Nancy Jenzer zu Fred Zurbrugg gefahren – Nancy besaß als Einzige von uns dreien ein eigenes Auto, einen weißen Studebaker Lark –, doch angesichts der jüngsten Entwicklungen lieh ich mir den Wagen meiner Eltern.
    Ich war mir ziemlich sicher, dass ich noch nie so gut ausgesehen hatte. Zum ersten Mal trug ich eine Kombination aus meinem Lieblingsrock, meinem Lieblingsoberteil und meinem Lieblingsschmuckstück. Nach dem Abendessen mit meinen Eltern und meiner Großmutter hatte ich mir die Augenbrauen gezupft, die Beine rasiert und die Nägel lackiert. Beim Anziehen hatte ich eine Shirelles-Platte gehört – manchmal verzehrte ich mich geradezu nach dem Lied »Soldier Boy« –, und als ich mich im Spiegel über meiner Kommode ansah, hatte es sich angefühlt, als würde die Musik ein Teil von mir; ich saugte sie auf, speicherte sie und würde sie dann den Abend über mit mir herumtragen. Merkwürdigerweise hatte der Streit mit Dena meine abendliche Spannung noch steigen lassen und das erwartungsvolle Summen, das in der Luft lag, verstärkt.
    Als ich ins Wohnzimmer kam, rief meine Mutter: »Wie hübsch du aussiehst«, und alle wandten sich mir zu. Meine Eltern und Großmutter spielten gerade Bridge mit Mrs. Falke, unserer Nachbarin, die wie meine Großmutter verwitwet, allerdings ein paar Jahre jünger als sie war.
    »Wer ist denn der Glückliche?«, fragte meine Großmutter.
    »Es ist bloß eine Party zum Schuljahresbeginn«, sagte ich. »Es wird ein Lagerfeuer geben.«
    »Aha.« Ich war mir sicher, dass meine Großmutter mir nicht glaubte. Früher wären die Schwingungen in einem solchen Moment harmonisch gewesen, doch nun lag darin eine Spur Feindseligkeit. Trotzdem gab ich allen der Reihe nach zum Abschied einen Kuss auf die Wange, sogar Mrs. Falke, da es mir unhöflich vorgekommen wäre, sie auszulassen.
    »Du weißt, wann du zu Hause zu sein hast«, sagte mein Vater, und ich antwortete: »Elf Uhr.«
    »Viel Spaß«, rief meine Mutter mir noch hinterher.
    Im Auto wechselte ich den Radiosender. Mein Vater hörte am liebsten Big-Band-Musik, während auf meinem Lieblingssender gerade Roy Orbisons »Dream Baby« lief. Ich setzte den Wagen aus der Einfahrt, wobei ich zunächst, wie mein Vater es mir beigebracht hatte, den Arm um den Beifahrersitz legte. Wie immer hatte ich dabei das Gefühl, ein Phantom zu umarmen. Es dämmerte schon, war aber noch nicht dunkel.
    Ich fragte mich, ob Andrew und ich uns heute Abend küssen, ob wir uns heimlich davonstehlen und vielleicht einen Spaziergang durch den Apfelgarten, der neben dem Farmhaus der Zurbruggs lag, machen würden. Vermutlich würde es Alkohol auf der Party geben, doch ich würde keinen trinken – Andrew sollte mich nicht für billig halten. Und trotzdem war ich froh, diese anderen Jungs geküsst zu haben, in der neunten Klasse Bobby und Rudy, Larry letzten Winter und ein weiteres Mal, als er mich nach dem Abschlussball zur Haustür gebracht hatte. Uns beiden war in diesem Moment klar gewesen, dass wir womöglich nie wieder auch nur ein Wort miteinander sprechen würden, und trotzdem, oder vielleicht genau aus diesem Grund, hatten wir uns geküsst. Sollte es heute zu einem Kuss kommen, wäre ich also nicht vollkommen unvorbereitet.
    Ich konnte mir nicht vorstellen, dass Andrew versuchen würde, mich auszunutzen, oder danach anderen Jungs davon erzählen würde; ich vertraute ihm. Sollte
er
etwa derjenige sein, mit dem ich schließlich »das erste Mal …«? Natürlich nicht in nächster Zeit, aber wenn wir verheiratet wären oder vielleichtschon während unserer Verlobungszeit, denn war das nicht fast das Gleiche? Dieser Gedanke brachte mich auf Dena und ob ich sie auf der Party grüßen würde. Ich entschied mich, freundlich zu sein. Ich würde versuchen, ihren Blick aufzufangen, und wenn ich das Gefühl hätte, sie wäre zugänglich, würde ich hallo sagen. Sollte sie aber eingeschnappt wegschauen, würde ich nichts sagen und etwas Zeit verstreichen lassen,

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