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Die Frau des Praesidenten - Roman

Die Frau des Praesidenten - Roman

Titel: Die Frau des Praesidenten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Curtis Sittenfeld
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bevor ich sie nächste Woche anrief. Ich wollte jeden Streit in der Öffentlichkeit vermeiden – zweifellos fänden das unsere Klassenkameraden höchst unterhaltsam, die Attraktion des Abends, doch was wäre das für eine Blamage.
    Darüber dachte ich nach, diese Gedanken jagten mir durch den Kopf, als ich über die Kreuzung De Soto Way/ Farm Road 177 sauste und krachend auf ein helles Stück Metall prallte. Im Bruchteil einer Sekunde war alles vorbei. Ich lag auf dem Rücken, um mich herum Glasscherben; meine Tür stand offen, und ich war etwa zweieinhalb Meter aus dem Wagen auf die Schotterstraße geschleudert worden. Mittlerweile war es dunkel geworden. Zunächst war ich nur verwirrt, doch dann traf mich der Schock mit solcher Wucht, dass ich kaum mehr Luft bekam. Es hatte einen Knall gegeben, als der Aufprall geschehen war. Reifen hatten gequietscht, Scheiben waren zersplittert, und jetzt gaben mein Auto und der andere Wagen ächzende und surrende Geräusche von sich. Merkwürdigerweise spielte mein Radio noch – »Venus in Blue Jeans«. Ich hob den Kopf und sah den Bel Air meiner Eltern. Ich war mit der Motorhaube in die Fahrertür eines anderen Wagens gekracht und nahm daher an, dass das andere Auto gerade dabei gewesen sein musste, rechts von der Farm Road 177 in den De Soto Way einzubiegen. Dann realisierte ich, wo ich lag – mitten auf der Straße –, und mir wurde klar, dass ich von dort wegmusste. Als ich versuchte, mich auf die Ellbogen zu stützen, durchfuhr ein reißender Schmerz meinen linken Arm, woraufhin ich mein Gewicht auf den rechten Arm verlagerte und mich so um das Heck des Wagens herumschleppte. Doch ich wusste nicht, wohin ich weiter sollte, es gab keinen Seitenstreifen, und am Straßenrand verlief ein flacher Graben. Etwas tropfte von meinerlinken Schläfe, und als ich an die Stelle fasste, war Blut an meinen Fingern.
    Erst in dem Moment, als ich den Farmer und seine Frau auf mich zulaufen sah, setzte ich mich auf. Der Farmer war stämmig, hatte weißes Haar und trug einen Kittel. Er rannte nicht, sondern stapfte die Straße entlang, und ein paar Meter hinter ihm folgte in einem Hauskleid seine Frau. Sie hätten den Aufprall gehört und einen Krankenwagen gerufen, sagte er mir, und als er fragte, was passiert sei, wandten wir uns alle zu den Autos um, dem Haufen Metall, umgeben von zersplittertem Glas, und erst jetzt erkannte ich zwei Dinge: Das andere Auto war ein mintgrüner Ford Thunderbird, und auf dem Fahrersitz saß zusammengesackt und regungslos eine Person.
    Ich spürte Panik, rang nach Luft und keuchte – war er es, oder war er es nicht? Der Farmer sagte etwas zu seiner Frau, woraufhin sie sich neben mich kniete, ihre Arme um mich legte und auf mich einredete: »Kleines, sobald der Krankenwagen da ist, werden sie sich um den Jungen kümmern.« Ich glaube, sie dachten, ich würde wirres Zeug vor mich hinstammeln, doch die Frau begriff zuerst. Sie hob den Kopf und sagte leise zu ihrem Mann: »Sie glaubt, sie kennt ihn. Sie sagt, sie gehen in die gleiche Klasse.«
    Es kamen zwei Krankenwagen, die zur damaligen Zeit nicht mehr waren als Kombi-Streifenwagen mit einer Vorrichtung für die Trage im hinteren Teil und einem einzelnen, rot blinkenden Warnlicht auf dem Dach. Ich wurde auf die Trage gehoben, und dort erlangte ich schockiert Gewissheit: Er
war
es. Sein Kopf hing seltsam verdreht herab, doch er war es. Ich schrie unkontrollierbar, während mir im Krankenwagen eine Schwester den Puls maß. Eine andere Schwester und zwei Polizeibeamte gingen auf den Thunderbird zu. Die Frau des Farmers tauchte hinter dem Krankenwagen auf und sagte, sie würde meine Eltern informieren, wenn ich ihr Name und Telefonnummer gäbe. Dann fügte sie seufzend hinzu: »Kleines, sie haben das Stoppschild an einer so schlecht einsehbaren Stelle aufgestellt, dass es nur eine Frage der Zeit war.« Die Krankenwagen parkten südlich der Unfallstelle, und ich setzte michauf, schaute aus dem Fenster und sah zum ersten Mal das Schild, von dem sie sprach. Es stand am rechten Straßenrand in einem Feld – es hatte mir gegolten.
    Der Krankenwagen, in dem ich lag, verließ den Unfallort zuerst, und obwohl ich deshalb nicht alles mitbekam, wusste ich, dass es schlecht aussah, dass es weitaus schlimmer war, als ich kurz nach dem Zusammenstoß angenommen hatte: Der Fahrer des anderen Wagens war Andrew, und die Schuld an dem Unfall trug ich. Obwohl ich es erst im Krankenhaus, im Beisein meiner Eltern erfahren sollte,

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