Die Frau des Praesidenten - Roman
Mann, jedoch kein besonders anziehender.
Andrew verdrehte gutmütig die Augen in Richtung seines Bruders und sagte in meine Richtung: »Ignorier ihn einfach. Du warst in Michigan, oder?«
»Mein Dad wollte die Mackinac Bridge sehen, und danach waren wir noch auf Mackinac Island. Es gibt dort keine Autos, nur Kutschen.«
»Wo Pferde sind, da ist auch Scheiße«, sagte Pete. »Hab ich recht?«
»Tu einfach so, als wär er nicht da«, sagte Andrew.
»Anscheinend war ’ne ganze Menge los am Pine Lake«, fuhr ich fort. »Dena sagt, sie hat den ganzen Sommer nicht so viel Spaß gehabt.«
»Tatsächlich?« Andrew schien amüsiert. »Eigentlich hat die meiste Zeit nur Bobby jeden, der ihm überhaupt zuhörte, zum Reiterkampf im Wasser gefordert. Die richtige Party findet nächstes Wochenende bei Fred statt, hast du davon gehört? Wenn es kälter als fünfundzwanzig Grad wird, machen wir ein Lagerfeuer.«
Pete beugte sich wieder vor. »Und Andrew verspricht, dir eine schöne große Wurst zu grillen. Leider muss ich diese überaus spannende Unterhaltung hier abbrechen, ich muss noch woandershin, kleiner Bruder. Hast du mit Alice noch was Dringendes zu besprechen?«
Andrew schüttelte den Kopf, und Pete ließ den Motor aufheulen. »Sorry«, sagte Andrew zu mir. »Bis Dienstag in der Schule. Hey, ziemlich cool, dass wir endlich in der Zwölften sind, was?«
Ich lächelte. »Es lebe der Jahrgang ’64.«
Der mintgrüne Thunderbird setzte sich in Bewegung. Als ich mit dem Rinderhack für meine Mutter unter dem Arm nach Hause lief, schoss mir eine Flut von neuen Gedankendurch den Kopf, und ich wurde von einer unerwarteten Energie erfasst: Wie gut Andrew so braungebrannt aussah; wie seltsam es war, dass Pete Imhof meinen Namen kannte; wie sehr ich mich auf das neue Schuljahr freute, auf die neuen Klassen und die Vorteile, die man als ältester Schüler genoss; und wie sehr ich hoffte, es würde am Samstag kälter als fünfundzwanzig Grad werden, damit sie auf Freds Party ein Feuer machten, ich danebenstehen und die tanzenden Flammen beobachten konnte, während die Wärme an meinen Körper herandrängen und mich daran erinnern würde, dass die Flammen lebendig waren und ich auch.
Wenn ich Andrew in den kommenden Tagen sah, wie er während der Versammlung am ersten Schultag nach den Ferien einige Reihen vor mir auf der Tribüne saß oder in den Pausen auf dem überfüllten Flur Bücher aus seinem Spind nahm, bot sich uns kaum eine Möglichkeit, miteinander zu reden oder auch nur Blickkontakt aufzunehmen. Ich versuchte es aber auch nicht. Ich war stets mit Dena oder anderen Freundinnen zusammen oder bei ihm standen Jungs vom Football, und es fühlte sich an, als könnte ich ihm das, was ich zu sagen hatte, nur sagen, wenn wir alleine wären. Eigentlich
wusste
ich noch nicht einmal, was genau ich sagen wollte, doch ich war mir sicher, wenn wir uns allein über den Weg liefen, würde mir schon das Richtige einfallen.
Die ganze Woche hatte ich das Gefühl, dass wir uns aufeinander zubewegten – selbst wenn wir uns, in entgegengesetzte Richtungen steuernd, außerhalb der Klassenzimmer begegneten, hatte ich dieses Gefühl –, und war daher nicht überrascht, als ich ihn Donnerstagnachmittag, eine halbe Stunde nach Schulschluss, beim Verlassen der Bücherei von der Turnhalle herüberlaufen sah. Er hatte sich zum Footballtraining umgezogen, trug ein Trikot, eine halblange Hose und seinen Helm unterm Arm. Im Rückblick fällt es mir schwer, meiner Erinnerung an diese Begegnung zu trauen, bestimmt gebe ich ihr eine Bedeutung, die sie zu diesem Zeitpunkt nicht hatte. Es war ein sonniger Nachmittag (die Temperatur sollte weder am Samstagnoch innerhalb der nächsten Wochen unter fünfundzwanzig Grad fallen), die Grillen zirpten, die Bäume und das Gras waren grün, und wir liefen aufeinander zu. Er blinzelte in die Sonne, wir lächelten uns an, und ich liebte ihn, ich liebte ihn von Kopf bis Fuß, und ich wusste, dass er mich auch liebte. Ich konnte es spüren. In diesem Augenblick sah ich alles vor mir, was ich mir am meisten wünschte, und war schon darüber hinaus, es war schon geschehen. Ich hüllte mich in die Gewissheit, dass es sicher und unumstößlich war.
Vielleicht sind das aber auch nur meine heutigen Gedanken. Doch es war alles, was wir je hatten! Unser Aufeinander-Zugehen, er von der Turnhalle kommend, ich von der Bücherei – das waren meine Schritte zum Altar, an dem er auf mich wartete, das waren unsere
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