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Die Frau des Seiltaenzers

Die Frau des Seiltaenzers

Titel: Die Frau des Seiltaenzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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selbst. Allerdings kam ihr die Kehrtwendung Seiner kurfürstlichen Gnaden nicht ungelegen. Ein Mann mit halbwegs sicherem Einkommen war besser als ein Leben hinter Klostermauern.
    »Ich meine es ernst«, legte Albrecht von Brandenburg nach, als er beider zweifelnde Gesichter sah. »Die Jungfer ist fünfzehn und gerade recht für einen kurfürstlichen Secretarius. Wir verstehen uns?«
    »Ja, ja, Euer kurfürstliche Gnaden!« Kirchner geriet ins Stottern. »Aber der Legat des Papstes wartet noch immer vor dem Stadttor auf einen würdevollen Einlass. Seine Heiligkeit Papst Clemens scheint über dunkle Kanäle vom Begräbnistermin des Großen Rudolfo erfahren zu haben. Im Übrigen ist Mainz voll von Menschen, die dem wundersamen Seiltänzer die letzte Ehre erweisen wollen.«
    »Gesindel!« Albrecht lachte abfällig. »Nichts als sensationsgieriges Gesindel, das nur darauf wartet, ob der wundersame Rudolfo sich plötzlich aus dem Grab erhebt und gen Himmel fährt wie unser Herr Jesus oder ob er wie Lucifer die andere Richtung nimmt.«
    Beschwichtigend hob Kirchner beide Hände: »Euer Gnaden, ein Blick aus dem Fenster wird Euch eines Besseren belehren. Männer von Stand und Namen haben den Weg nach Mainz gefunden, zum letzten Geleit für den Seiltänzer. Bereits am frühen Morgen begegnete ich zwei ruhmreichen Männern, die auf dem Marktplatz in ein Gespräch vertieft waren. Ich bin sicher, es waren Agrippa von Nettesheim und Erasmus von Rotterdam. Agrippa traf ich einmal in jungen Jahren in Köln. Damals trug er noch den Namen Heinrich Cornelius und studierte wie ich Theologie. Und Erasmus, der andere – dessen Bild hängt längst in jeder Bibliothek und jeder Universität. Es ist sicher kein Zufall, sie am selben Tag am selben Ort zu treffen.«
    »Ihr meint, die beiden …«
    Kirchner nickte mit einer gewissen Überheblichkeit, die ihm für gewöhnlich so fremd war wie der zügellose Lebenswandel Seiner kurfürstlichen Gnaden.
    Der Kardinal sagte im Befehlston an seine Bettfrau gewandt: »Und du lässt uns jetzt am besten allein!«
    Darauf zog sich Leys wortlos zurück.
    »Wir hätten wohl besser daran getan, auf die Öffnung der Leiche des Großen Rudolfo zu verzichten. Die Nachricht von seinem Tod ging ohnehin bis nach Rom. Wäre der Seiltänzer am folgenden Tage beerdigt worden, wäre uns viel erspart geblieben.«
    »Ihr meint die vielen Menschen, die von überall herbeiströmen?«
    »Die meine ich!«
    Joachim Kirchner wirkte nachdenklich. Schließlich meinte er: »Es steht mir nicht zu, den Gedanken von Euer Gnaden zuvorzukommen …«
    »Schon gut, Kirchner«, bedeutete der Fürstbischof generös.
    »… Ihr habt einmal den Verdacht geäußert, der Große Rudolfo könne einer der Neun Unsichtbaren sein, welche über das geheime Wissen der Menschheit verfügen. Und so kamt Ihr zu der Erkenntnis, der Seiltänzer habe sich bei seinen waghalsigen Auftritten dieses Wissens bedient.«
    »Ja, das sagte ich, und es wäre eine einleuchtende Erklärung für seine Kunst und seine übermenschlichen Fähigkeiten.«
    »Sollte sich Eure Vermutung bewahrheiten, dann, Euer Gnaden, wäre es doch nur recht und billig, wenn die übrigen acht der Neun Unsichtbaren ihrem auserwählten Mitwisser die letzte Ehre erwiesen. Allein die Anwesenheit des großen Erasmus von Rotterdam und des ebenso hochgebildeten Agrippa von Nettesheim könnte ein Hinweis darauf sein. Wenn Euch an ihrem Wissen gelegen ist, dann sollten wir sie im Auge behalten.«
    »Und ob mir daran gelegen ist!«, erwiderte Albrecht von Brandenburg aufbrausend. »Du kennst doch meine Lage: Der Kardinal und Kurfürst von Mainz ist pleite, zahlungsunfähig. Ich, du, wir alle leben von der Gnade und Großzügigkeit des reichen Fuggers. Wenn Matthäus Schwarz darauf besteht, muss ich den Mainzer Dom verpfänden. Mein Gott, welche Blamage! Der Bischof von Speyer, das Ekel, würde das Tedeum anstimmen und seinen Sieg in einem Triduum feiern. Ich darf gar nicht daran denken. Gelänge es aber, einen der Neun Unsichtbaren ausfindig zu machen und ihm sein Wissen abzukaufen, dann, Kirchner, wären wir alle Sorgen los!«
    »Aber woher wollt Ihr das Geld nehmen?«, gab der Sekretär zu bedenken. »Ich könnte mir vorstellen, dass die Unsichtbaren, so überhaupt einer von ihnen bereit ist, sich zu offenbaren, eine immense Summe fordern würden. Was also wollt Ihr tun, Euer kurfürstliche Gnaden?«
    »Das lass meine Sorge sein!«, beschied Albrecht den Sekretär mit listigem

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