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Die Frau des Seiltaenzers

Die Frau des Seiltaenzers

Titel: Die Frau des Seiltaenzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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sie den Massen des Volkes bisweilen beliebte Schauspiele darboten, indem sie Männer und Frauen auf dem Scheiterhaufen verbrannten, waren sie äußerst unbeliebt.
    »Man soll die Gaukler unter Androhung der Inquisition nach dem Verbleib der Frau des Seiltänzers befragen«, zischte der Fürstbischof, »dann werden sie schon mit der Wahrheit herausrücken. Ich sage dir, Kirchner, dieses Weib hält uns alle zum Narren. Magdalena redet mit der Gewandtheit eines Dompredigers. Offenbar ist sie sogar der lateinischen Sprache mächtig, und sie trägt ein Selbstbewusstsein zur Schau, das in der Lage ist, sogar einen gestandenen Mann wie mich einzuschüchtern. Hätte sie nicht eine glockenhelle Stimme wie die Engel im Himmel, eine Haut wie Seide und Brüste wie die Hure Imperia, die das Konzil von Konstanz in Unruhe versetzte, man könnte glauben, sie sei ein Mann des Teufels in Weiberkleidern.«
    Aus Kirchners Gesichtsausdruck sprach das blanke Entsetzen, aber er nickte devot, wie es seine Art war. »Wenn ich mir die Frage erlauben darf«, begann er umständlich, »woher wisst Ihr überhaupt von den Neun Unsichtbaren? Ich meine, wie der Name schon sagt, sind sie doch unsichtbar, man sieht sie nicht, also weiß man nicht einmal, ob es sie überhaupt gibt …«
    Der Fürstbischof tat entrüstet: »Kirchner, was bist du doch für ein Kleingeist! Vieles existiert, aber man sieht es nicht. Die Luft, die du atmest, siehst du nicht, trotzdem wirst du wohl nicht daran zweifeln, dass es sie gibt.«
    »Das hat durchaus eine gewisse Logik. Aber hat man einem Unsichtbaren je seine Zugehörigkeit zu dem erlauchten Kreis nachgewiesen? Hat sich ein Unsichtbarer je als solcher bekannt?«
    Albrecht von Brandenburg schüttelte den Kopf: »Nicht dass ich wüsste. Doch manche hinterließen Hinweise, sodass kaum ein Zweifel an ihrem geheimen Wissen besteht. Graf Albert von Bollstädt, der größte Gelehrte unseres Jahrtausends, verfügte über so viel Wissen, dass er ehrfurchtsvoll Albertus Magnus genannt wurde. Kein Mensch auf dieser Erde kann sich in einem Leben so viel Wissen aneignen wie Albert – auch wenn ihm achtzig Lebensjahre beschieden waren. Woher nahm dieser schwäbische Provinzgraf seine Kenntnisse über ägyptische, arabische und jüdische Wissenschaften, Wissenschaften, die an keiner europäischen Universität oder Ordensschule gelehrt wurden? Dafür gibt es nur eine Erklärung: Der Große Albertus hatte Zugang zu geheimen Wissensquellen.«
    Gedankenverloren blickte Joachim Kirchner in die Tiefe, wo sich inzwischen das gemeine Volk dem Leichenzug anschloss. Nach langem Nachdenken meinte er: »Zu großem Reichtum hat Albertus Magnus sein Wissen wohl nicht verholfen.«
    »Kirchner!« Als wollte der Fürstbischof seinen Sekretär zur Ordnung rufen, erwiderte er: »Der Provinzgraf war Dominikaner wie die drei armseligen tonsurgeschädigten Gestalten, die gerade in ihren billigen Sandalen an uns vorbeigeschlurft sind. Immerhin brachtees Albertus bis zum Bischof von Regensburg. Aber lange hielt er das nicht aus. Er war eben ein Mann der Wissenschaften.«
    »Und die müssen immer arm sein?«, unterbrach ihn Kirchner.
    Albrecht von Brandenburg hob die Schultern. »Das könnte man meinen, in der Tat. Dabei ist mit den Wissenschaften mehr Geld zu machen als mit den Ablässen der Kirche. Man muss sie nur für seine Zwecke einsetzen. Vor allem aber muss man die Geheimnisse der Wissenschaften kennen! Zum Beispiel jene, die von den Neun Unsichtbaren unter Verschluss gehalten werden. Es ist eine Todsünde, wenn neun Menschen auf dieser Erde sich über den Rest der Menschheit erheben, sich Gottgleichheit anmaßen, indem sie Geheimnisse für sich behalten, die geeignet wären, Armut und Elend der Christenheit zu beseitigen.«
    Vor allem Armut und Elend des Fürstbischofs von Mainz, lag es Kirchner auf der Zunge, aber er schwieg.
    »Es müsste doch mit dem Teufel zugehen«, ereiferte sich Albrecht von Brandenburg, »wenn unter den Neun Unsichtbaren nicht einer wäre, der sich sein Geheimnis abkaufen ließe. Glaube mir, Kirchner, ich würde den Mainzer Dom verpfänden!«
    »Euer kurfürstliche Gnaden!« Kirchner, ein Mensch von schlichter Frömmigkeit, tat entrüstet. Wie ehrlich er es meinte, wusste man bei ihm nie.
    »Von Papst Alexander«, fuhr der Kardinal fort, »erzählt man sich in vatikanischen Kreisen, er habe alle seine Ämter, den Kardinalstitel und sogar seine Papstwahl durch Simonie erworben, also durch Bestechung. So reich war das

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