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Die Frau des Seiltaenzers

Die Frau des Seiltaenzers

Titel: Die Frau des Seiltaenzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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Gnaden«, erwiderte Leys – Albrecht bestand auf dieser Anrede, sogar in Augenblicken intimen Beisammenseins – »es ist wegen Katharina, die nicht nur meine, sondern auch Eure Tochter ist.«
    »Habe ich das jemals geleugnet?«, ereiferte sich der Fürstbischof. »Habe ich ihr nicht eine hervorragende Ausbildung und ein sorgloses Leben in Aussicht gestellt?«
    »Ja, Euer kurfürstliche Gnaden, aber gerade das ist es ja. Die Jungfer heult sich die Augen aus, seit sie von Euren Plänen erfahren hat, sie bei den Zisterzienserinnen in der Lausitz unterzubringen. Und mich überkommt ebenso tiefe Traurigkeit, wenn ich das Kind weinen sehe.«
    »Ach was«, fuhr Albrecht von Brandenburg dazwischen, »ein Leben bei den Zisterzienserinnen ist ein sicherer Hafen für eine Jungfer. Nach ein paar Jahren wird aus der Novizin eine Oberin. Seid unbesorgt, dafür werde ich sorgen!«
    »Wenn sie aber nicht will? Nicht Novizin werden und nicht Oberin. Wollt Ihr, dass Euer eigen Fleisch und Blut ein Leben lang unglücklich ist?«
    Als er sah, wie Leys mit den Tränen kämpfte, erhob sich der Fürstbischof und wollte die Konkubine in die Arme nehmen. Aber Leys widersetzte sich seinen Annäherungsversuchen und stürzte zur Türe. Als sie diese öffnete, trat ihr der bischöfliche Sekretär Joachim Kirchner aufgeregt gestikulierend entgegen.
    »Euer kurfürstliche Gnaden«, rief er über Leys’ Schulter hinweg, »Kurienkardinal Giustiniani, der Abgesandte Seiner Heiligkeit Papst Clemens des Siebenten, steht samt Gefolge vor den Toren der Stadt und erwartet einen gebührenden Empfang!«
    »Auch das noch!«, murmelte Albrecht leise vor sich hin. Dann starrte er seinen Sekretär und Schreiber lange nachdenklich an.
    Leys versuchte besorgt, den Grund für die peinliche Stille im Schlafgemach zu ergründen.
    Da begann der Fürstbischof, an Kirchner gewandt: »Du dienst mir seit einer Reihe von Jahren, meist sogar zu meiner Zufriedenheit …«
    Kirchner verneigte sich ob des ungewohnten Lobes: »Ich danke Euch, Euer kurfürstliche Gnaden. Aber wenn ich mir die Bemerkung erlauben darf: Vor den Toren der Stadt begehrt der Gesandte des Papstes Einlass. Ihr kennt den Anlass seines Besuchs …«
    »Schweig!«, unterbrach ihn Albrecht von Brandenburg. »Wie alt bist du, Kirchner?«
    »Ich stehe im fünfunddreißigsten Lebensjahr, Euer kurfürstliche Gnaden. Aber das ist nicht so wichtig.«
    »Schweig! – Und du hast noch immer kein Weib gefreit?«
    Kirchner errötete. So sehr, dass seine Röte sogar in der Düsternis des fürstbischöflichen Schlafgemachs zu erkennen war. Verlegen blickte er zu Boden. Dann antwortete er: »Wie Ihr wisst, erhielt ich, bevor Ihr mich gütigst bei Euch aufnahmt, die niederen Weihen, welche, wie Euch ebenfalls nicht unbekannt sein dürfte, mit dem Zölibat einhergehen, dem Gelöbnis, mit keiner Frau Umgang zu pflegen.«
    »In der Tat, das alles ist mir nicht neu. Aber was du hier vorbringst, sind die Gesetze der Kirche, nicht die Gesetze Gottes. Und ich brauche dich nicht darauf aufmerksam zu machen, dass die Gesetze der Kirche in stetem Wandel begriffen sind. Sogar die Päpste leben im Konkubinat und erfreuen sich reichen Kindersegens. Und aus Wittenberg kommt die Nachricht, der rebellische Mönch, dessen Namen auszusprechen ich mich scheue, habe dieser Tage eine leibhaftige Nonne geheiratet, mehr noch, sie sei bereits schwanger. Deine Bedenken sind also unangebracht.«
    Kirchner wusste nicht, wie ihm an diesem Morgen geschah, dochdann sah er Leys, die der Aussprache mit gesenktem Blick beiwohnte, und er versuchte sich vorzustellen, worauf der Kardinal hinauswollte. Leys Schütz war ein prächtiges Weib, erfahren in Liebes- und anderen Dingen, welche das Alte Testament schamlos beschreibt. Wie es den Anschein hatte, war der Kardinal ihrer überdrüssig. Heimliche Treffen des erlauchten Fürsten mit der Frankfurter Wittfrau Agnes Pless, geborene Strauß, waren Kirchner nicht entgangen. Auch nicht die Tatsache, dass deren Äußeres zwar weniger reizvoll war als das von Leys, dafür verfügte Agnes, erbeshalber, über ein beträchtliches Vermögen. Und das verleiht, wie man weiß, jeder Frau eine gewisse Schönheit.
    Mitten in Kirchners Gedanken platzte Albrecht mit den Worten: »Du solltest Leys Tochter Katharina, die auch meine Tochter ist, ehelichen! Über die Mitgift reden wir, wenn ich besser bei Kasse bin.«
    Joachim Kirchner warf Leys einen unsicheren Blick zu. Doch die schien nicht weniger überrascht als er

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