Die Frau des Seiltaenzers
war mit Sprachfetzen aus schlechtem Kirchenlatein. »Du weißt«, fuhr er schließlich mit weibisch hoher Fistelstimme fort, »warum wir dich in nomine Domini hierhergebracht haben?«
» Nescio , hochwürdigster Herr Inquisitor!«, erwiderte Magdalena. »Ich habe keine Ahnung.« Im festen Bewusstsein, weder die Gesetzeder Kirche noch die des Landes verletzt zu haben, gab Magdalena sich selbstbewusst, obwohl ihr Herz bis zum Hals schlug.
»Ihr seid der lateinischen Sprache mächtig, Jungfer?«, erkundigte sich Frater Dominicus verunsichert.
»Von mächtig kann keine Rede sein, hochwürdigster Herr Inquisitor. Sed satis pro domo , für den Hausgebrauch genügt es.«
Die lateinkundige Jungfer versetzte die Männer zu beiden Seiten des Inquisitors in Unruhe, und der Domherr zur Linken, der sein Amt erkauft, aber nie im Leben Latein gelernt hatte und froh war, das Pater noster auswendig aufsagen zu können, meinte geflissentlich: »Dann möge die Heilige Inquisition in diesem Prozess auf die lateinische Sprache verzichten, damit sie Gelegenheit hat, sich zu verteidigen.« Und als er alle Blicke auf sich gerichtet sah, fügte er kleinlaut hinzu: »Falls es etwas zu verteidigen gibt.«
»Ab initio!«, fuhr der Inquisitor dazwischen. »Von Anfang an!« Dabei ballte er die schmale Rechte zu einer Faust, pochte damit auf den Tisch und blickte wutentbrannt umher – Gott, der Herr, konnte nach dem Sündenfall von Adam und Eva nicht zorniger dreingeschaut haben.
Mit finsterem Gesichtsausdruck erhob sich Frater Dominicus, seine Begleiter taten es ihm gleich, und der Inquisitor sprach, den Blick fest auf die Jungfer gerichtet: »Erubescat homo esse superbus, propter quem humilis factus est deus.« Was so viel bedeutet wie: Es schäme sich der Mensch, hoffärtig zu sein, nachdem Gott sich für ihn so gedemütigt hat. Darauf bekreuzigte er sich mit seiner Rechten und nahm wieder Platz.
»Name?«, schleuderte er Magdalena entgegen.
»Magdalena, hochwürdigster Herr Inquisitor!«
»Und wie noch?«
Die Jungfer zögerte. Sie war drauf und dran, Rudolfos Namen Rettenbeck zu nennen, aber sie hatte den Seiltänzer ja nicht geehelicht, folglich trug sie auch nicht seinen Namen, obschon sie gewohnt war, dass man sie die Frau des Seiltänzers nannte. Schonbei ihrem Eintritt ins Kloster Seligenpforten hatte sie den Namen ihres Vaters tunlichst verschwiegen, auch wenn sie dadurch vermutlich keine Nachteile gehabt hätte. Aber nun, vor dem Inquisitor? Magdalena schluckte. Schließlich spuckte sie den Namen aus:
»Beelzebub! Mein Vater, der von einer umstürzenden Buche erschlagen wurde, hieß – Gebhard Beelzebub.«
Magdalenas Antwort löste Unruhe unter den Beisitzern aus, und der Dominikaner zur Rechten des Inquisitors bemerkte hinter vorgehaltener Hand: »Wenn das kein Zeichen des Teufels ist!«
»Magdalena Beelzebub«, fuhr der Inquisitor fort, »gibst du zu, eine Buhlschaft des Teufels zu sein, uxorem diaboli ?«
»Nein, hochwürdigster Herr Inquisitor.«
»Magdalena Beelzebub, gibst du zu, dich criminis magiae schuldig gemacht zu haben, des Verbrechens der Hexerei?«
»Nein, hochwürdigster Herr Inquisitor.«
»Magdalena Beelzebub«, die Stimme des Inquisitors wurde noch höher, »ich mache dich darauf aufmerksam, dass du, solltest du weiterhin die Verbrechen gegen die Heilige Mutter Kirche leugnen, einer peinlichen Befragung unterzogen wirst.« Dabei wies der Dominikaner mit ausgestrecktem Arm auf die Folterwerkzeuge vor sich auf dem Tisch.
»Ich sage die Wahrheit und kann nur das gestehen, was der Wahrheit entspricht«, antwortete Magdalena, ohne einen Blick auf die Foltergeräte zu werfen.
»Aber es gibt hundert, wenn nicht tausend Zeugen, die beschwören können, dass du, Magdalena Beelzebub, auf einem schwankenden Seil einen der Mainzer Domtürme bestiegen hast, so wie dein Buhle, der sich der Große Rudolfo nannte und den deus omnipotens , der allmächtige Gott, für seine Hoffart strafte.«
»Es war keine Hoffart«, entgegnete Magdalena, »sondern Kunst, die Rudolfo dazu befähigte. Und was Ihr als Strafe des allmächtigen Gottes bezeichnet, hochwürdigster Herr Inquisitor, war Mord, ein abscheuliches Verbrechen, das – wenn es sich nicht um einenGaukler handelte – von der Heiligen Mutter Kirche ebenso wie von den weltlichen Gerichten geahndet würde.«
»Und du, Magdalena Beelzebub, du beherrschtest die – Kunst – des Seiltanzes ebenso wie der Große Rudolfo? Obwohl du den Seiltänzer erst wenige Wochen
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