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Die Frau des Seiltaenzers

Die Frau des Seiltaenzers

Titel: Die Frau des Seiltaenzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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sondern einen purpurroten Handschuh – den Handschuh, welchen sie in Wendelins Reisetruhe entdeckt hatte.
    »Was habt Ihr, Jungfer«, rief der Kutscher, nachdem er sich von seinem Lachanfall erholt und wieder beruhigt hatte.
    »Der Handschuh!«, sagte Magdalena leise und zeigte mit dem Finger auf das purpurrote Ding in seiner Hand.
    »Ach, erinnert mich nicht daran«, erwiderte Richwin.
    Über Magdalenas Nasenwurzel bildeten sich zwei senkrechte Falten. »Was willst du damit sagen?«
    »Nichts«, bemerkte der Kutscher kleinlaut. »Ein Zusatzgeschäft, sozusagen. Aber unterm Strich war es ein Reinfall.«
    »Ich will wissen, was hier gespielt wird!«, herrschte Magdalena Richwin an.
    Der Weinkutscher schluckte. »So ein Fuhrmann, müsst Ihr wissen, Jungfer, verdient nicht viel, gerade so viel, dass er nicht verhungern muss. Wenn er aber nicht verdursten will, muss er sich etwas dazuverdienen, Ihr versteht mich?«
    »Ja, ich verstehe dich. Und weiter?«
    »Nun ja, ab und an nehme ich ein paar Fahrgäste mit, so wie Euch, das bringt mir den ein oder anderen Gulden ein, oder ich erledige Botendienste. Die Sache mit dem roten Handschuh war eine ganz besondere Aufgabe.«
    Magdalena wurde unruhig und rutschte auf ihrer Sitzbank hin und her.
    »Während meiner Wartezeit im Kloster Eberbach sprach mich eine rothaarige Frau an, ein schönes Weib!« Bei diesen Worten formte er mit den Händen die Umrisse einer Frau, die von der Natur in keiner Weise vernachlässigt worden war. »Die Rothaarige erkundigte sich, wohin meine Reise gehe und ob ich sie in östlicher Richtung mitnähme. Ich verneinte, denn ich sei mit dem Bibliothekar und Euch bereits überbesetzt.«
    »Und dann? So rede endlich!«, rief Magdalena aufgeregt.
    »Was soll ich sagen«, druckste der Weinkutscher herum, und dabei machte er plötzlich einen ganz nüchternen Eindruck, »da machte mir die Rothaarige ein äußerst seltsames Angebot. Ich sollte diesen roten Handschuh in das Gepäck des Bibliothekars schmuggeln. Als Lohn für meine Bemühungen versprach sie mir einen funkelnden grünen Smaragd, den sie an einer Kette zwischen ihren Brüsten trug. Obwohl mir das Ganze höchst seltsam vorkam, willigte ich ein. Als ich heute bei unserer Ankunft in Würzburg den glitzernden Steinbeim Juden gegen Bares versetzen wollte, schalt er mich einen Betrüger, der ihm einen grünen Glasscherben als Edelstein zum Kauf anböte, und wies mich aus dem Haus. Ihr könnt Euch meine Wut vorstellen. Die Rothaarige hat mich betrogen! Deshalb nahm ich den Handschuh beim Entladen des Gepäcks aus der Reisetruhe. Als Sacktuch kommt er mir gerade recht.«
    Angewidert spuckte der Kutscher in den Handschuh und ließ ihn in der Tasche verschwinden.
    Magdalena wusste nicht, wie ihr geschah. Lange sah sie Richwin nur an. Dem kam es vor wie eine Ewigkeit.
    »Ich weiß«, bemerkte er schließlich kleinlaut, »das alles klingt nicht gerade glaubhaft. Aber warum sollte ich Euch eine Lügengeschichte auftischen …«
    »Ich glaube dir, Richwin«, fiel ihm Magdalena ins Wort und stellte die Frage: »Hast du dem rothaarigen Teufel das Ziel deiner Fahrt genannt?«
    »Das musste ich doch tun, als sie mich danach fragte!«
    Magdalena nickte. Nach einer Weile des Nachdenkens, das Richwin sich in keiner Weise erklären konnte, sagte sie: »Jedenfalls danke ich dir, dass du mich aufgeklärt hast. Du hast ja keine Ahnung, welchen Dienst du mir damit erwiesen hast.«
    Der Kutscher verneigte sich höflich, und ebenso höflich erkundigte er sich: »Es geht mich ja nichts an, aber gestattet mir die Frage: Kennt Ihr die Rothaarige?«
    »Flüchtig«, entgegnete Magdalena, »flüchtig!«
    Am nächsten Morgen nahm Magdalena den Weg zur Festung Marienberg jenseits des Flusses, wo sich Bischof Konrad seit Wochen, seit dem blutigen Ende des Bauernaufstands, verschanzte. Konrad fürchtete die Rache der Würzburger Bürger, denen er nach dem Ende der Feindseligkeiten übel mitgespielt hatte.
    Deshalb wurde Magdalena auch gar nicht eingelassen, als sie sich durch eine eisenbeschlagene Klappe im Festungstor nach demVerbleib von Wendelin Schweinehirt erkundigte. Dieser wolle sich bei Seiner Exzellenz als Bibliothekar verdingen.
    Der Torwächter auf der anderen Seite behauptete, auf der Festung Marienberg gebe es überhaupt keine Bibliothek. Mit Büchern habe Bischof Konrad überhaupt nichts am Hut: Folglich sei auch kein Bibliothekar vonnöten. Sie solle verschwinden. Und mit lautem Krachen schlug er Magdalena die

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