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Die Frau des Seiltaenzers

Die Frau des Seiltaenzers

Titel: Die Frau des Seiltaenzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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näherten sich Schritte, und eine weibliche Stimme fragte in die Düsternis: »Sind sie endlich verschwunden?«
    »Gott sei Dank!«, knurrte Helmont und wandte sich um. Vor ihm stand eine Frau mit aufgelösten roten Haaren. Sie trug einen langen Schlafrock aus weißer Atlasseide, der ihre Körperformen deutlich zeigte.
    »Xeranthe«, sagte der Geheimschriftgelehrte, »wir sind nicht die Einzigen, die hinter den ›Büchern der Weisheit‹ her sind. Kurfürst Albrecht von Brandenburg kennt sogar das Zauberwort HICIACCOD. Ich frage mich: Woher weiß er das?«
    Xeranthe blickte sauertöpfisch drein. »Unwahrscheinlich, dass der Kardinal wie ich mit Rudolfo geschlafen und die Tätowierung neben seinem Gemächt entdeckt hat. Albrecht von Brandenburgmacht sich, wie man hört, absolut nichts aus Männern. Mit seinen Weibergeschichten ist der Kurfürst vollkommen ausgelastet.«
    Die Wahrsagerin ließ sich neben Helmont auf die Truhe nieder und legte den Kopf in seinen Schoß. Dann zischte sie: »Es gibt nur eine Erklärung: Der Fürstbischof macht mit Magdalena gemeinsame Sache. Und dass Magdalena von der Tätowierung des Seiltänzers Kenntnis hat, davon dürfen wir wohl ausgehen.«
    »Aber warum nimmt er dann meine Hilfe in Anspruch?«
    Xeranthe dachte nach: »Die Tatsache, dass Magdalena das Geheimwort kennt, besagt noch lange nicht, dass sie über seine Bedeutung Bescheid weiß. Der Große Rudolfo war vorsichtig und hat nicht viel verraten. Und der Seiltänzer kam völlig unerwartet ums Leben. Ihm blieb vermutlich gar keine Zeit, sein Geheimnis Magdalena anzuvertrauen.«
    »Es war deine Idee, Rudolfos Seil abzufackeln. Ich hätte, wenn ich ehrlich bin, nicht den Mut gehabt, es zu tun.«
    »Aber du hast mich in meinem Vorhaben bestärkt!«
    »Das leugne ich nicht, Xeranthe.«
    Die Wahrsagerin richtete sich auf und kam Helmont ganz nahe. »Mit Magdalena habe ich noch eine Rechnung offen,« sagte sie, und ihre Augen glänzten dabei hasserfüllt. »Ich will sie brennen sehen, diese Hexe.«

19. KAPITEL
    N ie und nimmer hätte Magdalena es für möglich gehalten, dass Wendelin Schweinehirt mit Xeranthe gemeinsame Sache machte. Anders war der purpurrote Handschuh in Wendelins Reisegepäck nicht zu erklären. Nun rätselte Magdalena, welches Ziel der rothaarige Teufel diesmal verfolgte. Wollte Xeranthe sie quälen, sie in Angst versetzen, drohen, zeigen, dass sie noch immer Herr der Lage war? Zweimal bereits hatte sie versucht, Magdalena zu töten. Sie würde es wieder tun.
    Nach der Entdeckung des roten Handschuhs war Magdalenas erster Gedanke: Du musst fliehen, fort von hier, fort von Schweinehirt, der ein bösartiges Spiel mit dir treibt. Enttäuscht und niedergeschlagen musste sie einsehen, dass sie sich in Schweinehirt getäuscht hatte. Nun kam sie zu der Einsicht, dass sich der Bibliothekar ihr gegenüber zu anständig, zu hilfsbereit, zu selbstlos benommen hatte. Nie hätte sie sich diesem Menschen anvertrauen dürfen. Wie konnte sie so arglos, einfältig, so unbedarft sein! Nicht zum ersten Mal haderte Magdalena mit sich und ihrem Schicksal.
    Im Laufe des Tages verwarf Magdalena ihre Fluchtpläne jedoch wieder, zweifelnd, ob sie Schweinehirt, Xeranthe oder ihren Hintermännern so einfach das Feld überlassen sollte. Sie wusste von Wendelins Doppelspiel, aber er wusste nicht, dass sie es wusste. Und so entschloss sich Magdalena, weiter die Ahnungslose zu spielen und Schweinehirt in die Irre zu führen.
    Würzburg, das Ziel des Weinkutschers, lag noch zweiTagesreisen entfernt. Richwin soff sich, die Peitsche schwingend, durch den Spessart, der sich jetzt, im Spätsommer, von seiner schönsten Seite zeigte. Nichts ahnend, fand Wendelin bewundernde Worte für die Schönheit der Landschaft; doch seine Rede blieb unbeantwortet. Magdalena, auf dem Weinfass hinter ihm sitzend, starrte immer nur auf seinen Rücken. Und wenn er sich prüfenden Blickes umwandte, ob sie seine Worte, gegen den Wind gesprochen, überhaupt verstanden habe, lächelte sie gekünstelt und blickte zur Seite. Wie es schien, hegte Schweinehirt nicht den geringsten Verdacht.
    Endlich, am dritten Tag nach ihrer Abreise aus Eberbach, erreichten sie Würzburg. Richwin sang ein Lied, ein ziemlich unanständiges von käuflichen Mädchen. Und nachdem sie das westliche Stadttor passiert hatten, gab er seinen Gäulen noch einmal die Peitsche, dass Magdalena und Schweinehirt froh waren, als der Kutscher seinen Wagen in einer heruntergekommenen Gasse zum Stehen

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