Die Frau des Seiltaenzers
doch der Name des Seiltänzers?«
»Rudolfo!« Magdalena legte die Stirn in Falten. Der Ton des Fürstbischofs gefiel ihr ganz und gar nicht.
»Richtig. Rudolfo. Ich habe mir sagen lassen, dieser Rudolfo, von dem ich im Übrigen noch nie gehört habe, sei ein Meister seines Fachs. Wir sollten ihm Gelegenheit geben, uns und den Bürgern von Mainz seine Kunst zu beweisen. Und sollte die Vorführung unseren Ansprüchen genügen und der Große Rudolfo sich keiner unlauteren Mittel wie der schwarzen Magie oder gar der Nekromantie bedienen, wären wir durchaus bereit, seine Kunst mit fünf Gulden pro Tag zu honorieren.«
Da hielt es Magdalena nicht länger auf ihrem Stuhl. Erregt sprang sie auf, dass das Möbelstück umkippte, und rang nach Worten.
»Herr Kurfürst«, stammelte sie, während der Sekretär hinzutrat und den Stuhl wieder auf die Beine stellte, »Herr Kurfürst, der Große Rudolfo ist der Größte unter den Seiltänzern, er hat es nicht nötig, sich mit Almosen abspeisen zu lassen! Er kennt seinen Wert sehr genau, und wenn dieser Eure Verhältnisse übersteigt, wird ernach seiner Ankunft umgehend weiterziehen, nach Worms, Speyer oder Köln. Dort kennt man seinen Wert, und wir brauchen nicht um unseren Lohn zu feilschen. Ich darf mich also empfehlen, hochwürdiger Herr!«
Nicht nur der Fürstbischof bewunderte die Kaltschnäuzigkeit der Frau des Seiltänzers. Selbst Magdalena wunderte sich über den Mut, mit dem sie Albrecht von Brandenburg gegenüberzutreten wagte. Sie neigte den Kopf, raffte ihr langes Kleid, deutete eine zierliche Verbeugung an und machte Anstalten, sich zu entfernen.
»Gemach, gemach!« Mit einem Satz sprang der Fürstbischof auf Magdalena zu und hielt sie am Ärmel zurück. »Wir können doch über alles reden«, bemerkte er, plötzlich kleinlaut, »nennt Eure Forderungen.«
»Neun Zehntel aller Einnahmen oder pauschal fünfzig Gulden im Voraus!«
Da wurde es still in dem großen Empfangsraum. Albrecht von Brandenburg stand mit der Rechenkunst auf Kriegsfuß; aber dafür hatte er seinen Sekretär Joachim Kirchner. Hilfesuchend warf er ihm einen Blick zu. Dann steckten sie ihre Köpfe zusammen und redeten im Flüsterton.
Scheinbar desinteressiert am Fortgang der Dinge, betrachtete Magdalena die kostbaren Gemälde an den Wänden, Werke von Cranach und Dürer, in deren Mittelpunkt stets Albrecht von Brandenburg stand. Eines zeigte ihn als heiligen Hieronymus in seiner Studierstube. Auf einem anderen sah man ihn nackend als Adam, dem Eva, ebenfalls nackend, den sündigen Apfel reicht. Ein weiteres Gemälde gab Magdalena Rätsel auf: Es zeigte die Ehebrecherin aus dem Johannesevangelium, umgeben von Männern, die sie nach mosaischem Gesetz steinigen wollten. Mitten unter den Männern: unverkennbar Albrecht von Brandenburg, der jedoch als einziger keinen Stein in Händen hielt.
»So sei’s denn!«, seufzte der Fürstbischof und trat auf Magdalena zu, »der Seiltänzer und seine Truppe sollen uns drei Tage zurVerfügung sein – für fünfzig Gulden im Voraus. Mainz wird Euch einen würdigen Empfang bereiten. Und ich selbst werde jeden Schritt des Großen Rudolfo verfolgen, wenn er den höchsten Turm der Stadt besteigt.«
Albrecht von Brandenburg näherte sich Magdalena so sehr, dass es ihr Unbehagen erregte, und mit leiser, gepresster Stimme sagte er: »Ich habe doch Euer Wort, dass der Große Rudolfo nicht mit dem Teufel im Bunde steht?«
Da lachte Magdalena: »Wie kommt Ihr denn darauf?«
»Man sagt, der Satan habe eine besondere Vorliebe für Gaukler, und mancher Mummenschanz gelinge nur um den Preis ihrer Seele.«
»Hochwürdigster Herr Kurfürst! Dann müsste sich der Teufel längst auch meiner bemächtigt haben.«
Der Kardinal hob die Schultern, er betrachtete Magdalena mit sichtbarem Wohlgefallen, und als er sich endlich sattgesehen hatte, antwortete er: »Der Teufel schlüpft in die ansehnlichsten Verkleidungen. Vor allem schöne Weibsbilder haben es ihm angetan.«
»So wie dieses Weibsbild auf all Euren Gemälden?«
Mit einer weit ausholenden Armbewegung schlug Albrecht von Brandenburg ein Kreuzzeichen über seiner massigen Brust.
»Wo denkt Ihr hin«, entgegnete er aufgebracht, »das ist Leys, meine Bettfrau, ein Ausbund an Tugendhaftigkeit. Vor ein paar Jahren reiste sie eigens nach Leipzig, um von Johannes Tetzel, dem Ablassprediger – Gott habe ihn selig – einen siebentausenddreihundertjährigen vollkommenen Ablass zu erhalten. Das ist eine Sieben, eine Drei
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