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Die Frau des Seiltaenzers

Die Frau des Seiltaenzers

Titel: Die Frau des Seiltaenzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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und zwei Nullen!«
    Er sah Kirchner an, ob er sich nicht verrechnet hatte, und als der zustimmend nickte, meinte er: »So lange lebt nicht einmal ein Elefantum, von dem man sagt, es werde zehnmal älter als ein Mensch. Meine Bettfrau könnte gar nicht so viel sündigen, um dem Teufel die Möglichkeit zu bieten, sich an ihr schadlos zu halten.«
    Magdalena nickte scheinbar verständnisvoll. Im Kloster Seligenpforten hatte man sie gelehrt, ein Ablass auf Vorrat habe keineGültigkeit, weil ihm die Reue fehle. Und eine Sünde, die man noch gar nicht kenne, könne man nicht bereuen. Dabei kam ihr eine Tafel aus Holz ins Gedächtnis, die über dem Türstock zum Refektorium hing und die sie tausendmal heruntergeleiert hatte, wenn es zum Essen ging:
    Des Teufels Liebst allezeit
    Ist Hoffahrt, Buhlerei und Neid.
    Demut jedoch, Geduld und Treue
    Sind des Teufels größte Reue.
    Eigentlich wollte sie über den Teufel nicht nachdenken, dazu hatte er sich, auch wenn es vielleicht nur Einbildung war, zu weit in ihr Leben gedrängt.
    »Ihr glaubt mir nicht?«, vernahm Magdalena die Stimme des Fürstbischofs.
    »Warum sollte ich Euch nicht glauben«, erwiderte sie hastig. »Euch obliegt es doch, die Lossprechung von allen Sünden zu verkaufen.« Sie hatte den Satz kaum vollendet, da erschrak sie über sich selbst, dass sie sich so weit vorgewagt hatte. »Was den Auftritt des Großen Rudolfo betrifft, ist also alles klar«, fügte sie eilends hinzu.
    Albrecht von Brandenburg nickte gnädig mit verschränkten Armen: »Kirchner soll Euch die genannte Summe auszahlen. Er wird sich auch um alles kümmern, was Euch vonnöten ist.«
    Grußlos verschwand der Fürstbischof durch eine schmale Seitentür.
    Über eine enge steinerne Treppe, die wie ein Schneckenhaus in ein höheres Stockwerk führte, begab sich Magdalena mit dem Sekretär in einen fensterlosen Raum, der vom Boden bis zur hohen Decke mit Regalen und Schubladen ausgestattet war. Die einzige Möblierung der zehn mal zehn Fuß großen Kammer bestand aus einem blanken Tisch, davor und dahinter ein Stuhl und an der Seiteeine eisenbeschlagene Truhe, aus der ein Schlüssel ragte, so groß wie ein Klosterkochlöffel.
    Kirchner entnahm der Truhe fünfzig Rheinische Gulden und zählte sie vor Magdalena auf den Tisch. Dann reichte er ihr ein Papier und eine Feder zur Unterschrift. Damit hatte der Vertrag seine Gültigkeit. Das Geld verstaute Magdalena in einer Geldkatze, einem Säckchen aus weichem Leder, das sie wie jede Frau von Stand am Gürtel ihres Kleides trug.
    Als sie die Fürstenresidenz durch das große Tor verließ, trat ihr ein Mann entgegen: »Mein Name ist Matthäus Schwarz, Buchhalter und Gesandter des Reichsgrafen Jakob Fugger. Wir sind uns bereits begegnet. Würdet Ihr mir kurz Eure Aufmerksamkeit schenken?«

10. KAPITEL
    I n der Wirtsstube des Gasthauses ›Zwölf Apostel‹ ging es hoch her. An den langen, schmalen Tischen war kaum noch ein Platz zu finden, nachdem der Krämer Kelberer und der Bader Hinkfuß mit der Nachricht hereingeplatzt waren, Seine kurfürstliche Gnaden habe eine »Neue«. Hinkfuß, dessen wahren Namen niemand kannte und der nur wegen eines augenfälligen körperlichen Gebrechens so genannt wurde, wollte sogar wissen, dass Albrecht von Brandenburg seine Bettfrau, mit der er seit einer Reihe von Jahren das Lager teilte, in ein Kloster verbannt habe, wohin, wisse er nicht.
    Als für gewöhnlich gut unterrichtet geltend, weil halb Mainz sich bei ihm schröpfen ließ, bezweifelte niemand die Worte des Baders, zumal er zu vermelden wusste, die Neue sei eine Gauklerin von hervorstechendem Wuchs und tadellosen Umgangsformen. Er habe sie selbst in Begleitung von Joachim Kirchner gesehen, wenngleich aus der Ferne, und es würde ihn nicht wundern, wenn Seine kurfürstliche Gnaden die Neue zu ihm zum Aderlass schickte, so wie er es auch mit seiner Bettfrau Leys gehalten habe.
    Eine Gauklerin? Die Nachricht löste unter den Mainzer Bürgern Verwunderung und ungläubiges Staunen aus. Sich mit einer solchen einzulassen galt schlichtweg als unmöglich. Jeder Flickschuster hätte sich geweigert, sich mit einer vom fahrenden Volk abzugeben, die nur Krankheiten und fremde Gebräuche einschleppten. War sie denn wenigstens katholisch?
    Hinkfuß konnte die Frage nicht beantworten, weil er sie ja nur aus der Ferne gesehen habe, beteuerte jedoch, sie habe eigentlich nicht so ausgesehen, als würde sie den Lutheranern anhängen, und gestunken habe sie auch nicht –

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