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Die Frau des Seiltaenzers

Die Frau des Seiltaenzers

Titel: Die Frau des Seiltaenzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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Hochseil besteigen zu dürfen. Es solle, sagt der Große Rudolfo, Euer Schaden nicht sein. Rudolfo bietet Euch den zehnten Teil seiner Einnahmen. Wenn ich mir die Bemerkung erlauben darf: Bei einem ähnlichen Kunststück auf dem Dom zu Speyer fanden sich vor zwei Jahren mehr Zuschauer ein, als die Stadt Einwohner hat.«
    Diesen Hinweis hätte Magdalena besser verschwiegen; denn mit dem Bischof von Speyer stand Albrecht von Brandenburg auf Kriegsfuß. Deshalb platzte es aus Albrecht heraus: »Dann besteige der Große Rudolfo noch einmal den Dom zu Speyer! Auf den Mainzer Dom wird dieser Tausendsassa jedenfalls keinen Fuß setzen.« Und mit hämischem Grinsen fügte er hinzu: »Das sagt der große Albrecht von Brandenburg.«
    Es schien, als habe Magdalena die Ablehnung des Erzbischofs erwartet. Ohne Anzeichen von Enttäuschung raffte sie ihr Kleid mit beiden Händen, deutete eine Art Kratzfuß an und dankte selbstbewusst, dass der erlauchteste Fürstbischof sie empfangen habe.
    Als Kirchner Magdalena die Türe öffnete, trat ihr ein junger Mann mit kurzem Haarschnitt und kaltschnäuzigem Kaufmannsgesicht entgegen, aus dem nüchterne Entschlossenheit sprach. Er war mit einer roten Kniebundhose und einem dunkelblauen Umhang nach neuester Mode bekleidet. Als er Magdalena erblickte,trat er höflich zur Seite und deutete mit einem ungelenken Kopfnicken eine Verbeugung an.
    »Wer ist das?«, erkundigte sich der Fürstbischof bei seinem Sekretär, während der Unbekannte auf ihn zukam.
    »Matthäus Schwarz«, nahm dieser dem Secretarius die Antwort ab, »Buchhalter und Gesandter des Reichsgrafen Jakob Fugger. Er entbietet Euch seinen Gruß.«
    Einen Augenblick stand Albrecht von Brandenburg wie versteinert und brachte kein Wort hervor. Er ahnte, was der Abgesandte Jakob Fuggers von ihm wollte. Aber wie alle Schuldeneintreiber kam er im falschen Augenblick.
    Mit einer beinahe hilflos wirkenden Geste streckte Albrecht dem Fremden die Hand zum Kuss entgegen. Matthäus Schwarz ergriff sie, doch anstatt sie zu küssen, schüttelte er sie mit beiden Händen, kräftig, wie einen Würfelbecher, dass der Fürstbischof das Gesicht verzog ob der dabei erlittenen Pein.
    »Wer war das schöne Weibsbild?«, fragte Schwarz mit einer Kopfbewegung zur Tür hin.
    »Die Frau des Großen Rudolfo, eines Seiltänzers«, kam Kirchner seinem Herrn zuvor und zog sich damit den Unwillen des Fürstbischofs zu.
    »Lasst mich raten«, entgegnete der Fugger-Gesandte, »er will einen Turm Eures Domes besteigen.«
    »Ich habe sein Ansinnen natürlich abgelehnt«, bemerkte der Fürstbischof barsch.
    Matthäus Schwarz schüttelte den Kopf: »Ich weiß nicht, ob das klug war, Euer Hochwohlgeboren.«
    Albrecht von Brandenburg verstand sehr wohl die Niedertracht, die sich hinter dieser Anrede verbarg. Er war es gewohnt, als »Euer kurfürstliche Gnaden«, als »erlauchtester Fürst« oder »Vater in Christo« angesprochen zu werden. Doch schien es nicht angebracht, es sich mit dem Schuldeneintreiber Jakob Fuggers zu verderben.
    »Aber kommen wir zur Sache.« Ohne Aufforderung nahmMatthäus Schwarz auf dem einzigen Stuhl vor dem Schreibtisch des Fürstbischofs Platz, öffnete seinen weiten Mantel und zog eine Rolle Papier hervor. Mit einer eleganten Handbewegung, die erkennen ließ, dass ihm der Umgang mit derlei Schriftstücken nicht fremd war, warf er das Bündel auf den Tisch: »Das alles dürfte Euch nicht unbekannt sein, Euer Wohlgeboren«, meinte er süffisant.
    Albrecht von Brandenburg nahm Platz und sah seinen Sekretär hilfesuchend an. Der entgegnete devot: »Die Schuldscheine von Euer kurfürstlichen Gnaden!«
    »Das weiß ich!«, kläffte der Fürstbischof zurück. An den Gesandten Jakob Fuggers gewandt, meinte er mit gespielter Überheblichkeit: »Wenn ich nun das Bündel nähme und ins Feuer würfe, wäre ich mit einem Mal schuldenfrei.«
    Da lachte Matthäus Schwarz gekünstelt und heftig, dass er sich beinahe verschluckte: »Euer Hochwohlgeboren belieben zu scherzen! Glaubt Ihr wirklich, ich würde Euch die Schuldscheine im Original auf den Tisch werfen? O nein, gnädigster Herr, das sind nur die Abschriften. Die Originale lagern in einem der Fuggerschen Tresore in Augsburg neben Schuldscheinen des Papstes, des Kaisers und anderer Hungerleider.«
    Zum wiederholten Male an diesem Morgen färbte sich der pralle Schädel des Fürstbischofs purpurfarben. Kirchner machte sich ernsthaft Sorgen um die Gesundheit seines Herrn. Fürstbischof Albrecht

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