Die Frau des Seiltaenzers
brachte kein Wort hervor.
Da erhob sich der Gesandte, beugte sich über den Tisch und näherte sich dem Gesicht des Kurfürsten auf unangenehme Weise. »Euer Hochwohlgeboren schulden meinem Herrn, dem Reichsgrafen Jakob Fugger von Augsburg, 110000 Rheinische Goldgulden nebst Zins aus dem vergangenen Jahr.«
Der Sekretär nickte heftig.
Und Schwarz wiederholte eindringlich: »Nebst Zins aus dem vergangenen Jahr, Euer Hochwohlgeboren!«
»Ich weiß«, erwiderte Albrecht kleinlaut. »Aber die Zeiten sindschlecht. Die Bauern lehnen sich gegen die Obrigkeit auf und verweigern den Zehent. Ablassprediger ziehen mit leerem Säckel durchs Land, weil niemand ihre Predigten hören will. Dabei hat das Volk mehr Anlass, sich von seinen Sünden freizukaufen, als je zuvor. Aber die Kirchen bleiben leer.«
»Deshalb müsst Ihr mit ungewöhnlichen Mitteln versuchen, Eure Ablasszettel unters Volk zu bringen.«
»Ungewöhnliche Mittel!«, wiederholte Albrecht spöttisch. »Nennt mir eines Eurer ungewöhnlichen Mittel! Als Schuldner Jakob Fuggers ist mir beinahe jedes Mittel recht.«
Matthäus Schwarz machte ein finsteres Gesicht. »Euer Hochwohlgeboren, es ist nicht meine Aufgabe, Euch den Weg zu weisen, wie Ihr zu Geld kommt. Ich bin hier, um den Zins in Höhe von 11000 Goldgulden einzutreiben, und ich werde Eure Stadt nicht eher verlassen, bis diese Summe in meinem Beutel klingelt.«
Da brach es aus Albrecht hervor: »Ja soll ich mir die 11000 Goldgulden aus den Rippen schneiden? Ich habe nicht einen Gulden in der Tasche. Ich bin pleite!«
»Dann habt Ihr über Eure Verhältnisse gelebt, hochwürdigster Herr Fürstbischof. Mein Herr, der Fugger, sagt: Vergnügt sein ohne Geld, das ist der Stein der Weisen.«
»Der Fugger hat leicht reden. Er hat so viel davon, dass er sich darin wälzen kann!«
Der Abgesandte lachte: »Das ist wohl wahr. Aber die Fugger von Augsburg haben den Umgang mit Geld eben gelernt, der Sohn vom Vater und dessen Enkel von seinem Vater. Ihr hingegen habt, wenn ich mich recht erinnere, Eure Titel und Pfründe allesamt erkauft. Ihr habt die bedeutendsten Künstler um Euch geschart, diesen Cranach und diesen Dürer aus Nürnberg, die Euch so vorteilhaft abgebildet haben. Außerdem strotzt Euer Dom von Kostbarkeiten.«
Am liebsten wäre Albrecht dem Geldeintreiber an die Gurgel gefahren. Er sprang auf und rief: »Ihr meint, ich soll den Mainzer Dom verkaufen?«
Matthäus Schwarz hob die Augenbrauen, als wollte er sagen: Keine schlechte Idee. Doch dann erwiderte er: »Habt Ihr nicht gerade das Vorhaben des Großen Rudolfo, den Westturm des Domes auf dem Seil zu erklimmen, abschlägig beschieden? Erlaubt mir die Bemerkung: Das war ziemlich dumm.«
»Er meint, wegen dem zehnten Teil der Einnahmen«, mischte sich der Sekretär ein. »Man könnte auch mehr von den Gauklern fordern.«
»Nicht nur das«, entgegnete der Abgesandte. »Ein Schauspiel wie dieses zieht Tausende von Menschen an, viel mehr, als Euer Dom fassen kann. Bei dieser Gelegenheit böte sich die Möglichkeit, Eure Ablassbriefe unter das Volk zu bringen. In Bamberg sollen, als Rudolfo vor Jahren einen der Domtürme bestieg, 7000 Ablassbriefe verkauft worden sein.«
Albrecht von Brandenburg und sein Sekretär sahen sich an, als sei soeben der Heilige Geist über sie gekommen. Um seinen Herrn zu ermutigen, nickte Kirchner würdevoll mit dem Kopf. Man konnte sehen, wie der Fürstbischof mit sich und der Entscheidung kämpfte: Ablass mit Mummenschanz!
Schließlich geiferte er: »Kirchner, worauf wartest du noch? Hol die Frau des Seiltänzers zurück!«
Der Sekretär fand Magdalena auf dem Weg zum Gasthaus ›Zwölf Apostel‹, einer beliebten Absteige für Reisende. Dort wollte sie zusammen mit dem Marktschreier auf Rudolfo und die Gaukler warten.
»Verzeiht das Missverständnis Seiner kurfürstlichen Gnaden«, begann Kirchner umständlich. »Albrecht von Brandenburg schickt mich, Euch mitzuteilen, er sei wohl heute mit dem falschen Fuße aufgestanden …«
»Und um mir das zu sagen, seid Ihr mir nachgelaufen?«, fiel ihm Magdalena ins Wort. Sie ahnte sofort, dass der eingebildete Fürstbischof seine Meinung geändert hatte.
»Jedenfalls«, fuhr Kirchner fort, »bittet Seine kurfürstliche Gnaden um Verzeihung wegen seines abschlägigen Verhaltens. Natürlich sei es ihm und der Stadt Mainz eine Ehre, wenn der Große Rudolfo und seine berühmte Truppe sie mit ihrem Auftritt erfreuten. Er bittet Euch noch einmal zu einem persönlichen
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