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Die Frau des Seiltaenzers

Die Frau des Seiltaenzers

Titel: Die Frau des Seiltaenzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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Gespräch.«
    Die Worte des kurfürstlichen Sekretärs klangen nicht übel, doch war Magdalena weit davon entfernt, ihr Entzücken zu zeigen, vielmehr blieb sie wortkarg, während sie mit Kirchner den Weg zurückging.
    Die Mainzer tuschelten beim Anblick des ungleichen Paares. Sie waren es gewohnt, dass der liebestolle Kardinal seinen Sekretär Joachim Kirchner als Vermittler bei seinen Weibergeschichten einsetzte. Auf diese Weise hatte Albrecht von Brandenburg auch Elisabeth Schütz kennengelernt, eine dunkelhaarige Schönheit, die er Leys nannte. Mit ihr lebte er wie Mann und Frau – allerdings ohne den Segen der Kirche –, und er machte auch keinen Hehl daraus, dass er der leibliche Vater des reizenden Töchterchens war, welches Leys eines Tages zur Welt brachte.
    Wer aber war die unbekannte schöne Frau an Kirchners Seite? Und warum zeigte der Sekretär des Fürstbischofs sie, entgegen sonstiger Gewohnheit, in aller Öffentlichkeit? Bereits nach kurzer Zeit wurden Kirchner und Magdalena von einer aufgeregt gestikulierenden, sich die Mäuler zerreißenden Menge verfolgt.
    Magdalena tat, als bemerkte sie den Menschenauflauf nicht, und der Sekretär versuchte, die Peinlichkeit zu überspielen, indem er über die reiche Geschichte der Stadt schwadronierte. Mit Stolz erinnerte er an die Zeit der Römer, die vor mehr als eineinhalb Jahrtausenden gegenüber der Mainmündung ein Lager für zwei Legionen errichteten. Von hier habe einst Drusus seinen Feldzug gegen Germanien begonnen, und wenig später sei eine steinerne Brücke über den Rhein und eine Wasserleitung nach Moguntiacum, wie Mainz damals hieß, gebaut worden. Doch die Blüte der Stadt habe nicht lange gewährt, und Mainz fiel in eine Art Dornröschenschlaf, aus dem es erst Mittedes achten Jahrhunderts durch den legendären Erzbischof Bonifatius erweckt wurde. Mit erhobener Stimme verkündete Kirchner, die nachfolgenden Erzbischöfe hätten als Primas der deutschen Kirchenprovinz über ein Gebiet geherrscht von Konstanz bis Brandenburg und von Worms bis nach Prag.
    Diesen Ausführungen folgte Magdalena nur mit halbem Ohr. Ihr ging noch immer die vorletzte Nacht und das rätselhafte Gestammel des Doktor Baumbast durch den Kopf. Sie war an einem Punkt angelangt, an dem sie nicht mehr wusste, woran sie glauben sollte: ob ein Werk des Teufels dahintersteckte in der Absicht, sie in die Knie zu zwingen, oder ob eine geheime Macht von ihrer Mitwisserschaft um die Neun Unsichtbaren wusste und alles daransetzte, sich ihres Wissens zu bemächtigen.
    In Mainz hatte Baumbast das Schiff ungewöhnlich schnell und ohne jeden Gruß verlassen, nachdem er während der beschwerlichen Reise stets freiheraus ihre Nähe gesucht hatte. Hatte er die Zufälligkeit ihrer Begegnung nur gespielt? Dann war der Doktor ein verdammt guter Schauspieler!
    Natürlich hatte sie dem Marktschreier von ihrem nächtlichen Erlebnis nichts erzählt. Dabei brauchte sie dringend einen Menschen, dem sie sich anvertrauen konnte. Morgen, so war verabredet, würde Rudolfo mit den Gauklern eintreffen.
    »Ich hoffe, ich habe Euch nicht gelangweilt«, beendete der fürstbischöfliche Sekretär seine Stadtbeschreibung.
    »Nein, nein«, beeilte sich Magdalena zu antworten, »sehr interessant, wirklich!«
    Zum Glück hatten sie die Residenz erreicht und die neugierigen Gaffer hinter sich gelassen. Durch einen schmalen Nebeneingang betraten sie das klotzige, aus rohem Sandstein gemauerte Gebäude. Eine überdachte Außentreppe führte direkt zum Empfangsraum des Fürstbischofs.
    Ohne zu klopfen, öffnete Kirchner vorsichtig die Türe. Höflich gewährte er Magdalena den Vortritt. Ihre Augen mussten sich andie Düsternis gewöhnen. Zuerst glaubte sie, sich verschaut zu haben, denn der Anblick, der sich ihr bot, war zu kurios. Beinahe musste sie lachen: In der Mitte des Raumes kniete der stolze Albrecht von Brandenburg auf dem steinernen Boden und flehte mit gefalteten Händen einen vor ihm stehenden Mann an. Sie erkannte ihn sofort an seiner stolzen Kleidung. Es war der Mann, dem sie kurz zuvor in der Türe begegnet war.
    Als der kniende Kurfürst Magdalena bemerkte, raffte er hastig seinen Talar mit beiden Händen und erhob sich. Der gut gekleidete Mann verschwand ohne ein Wort, und Albrecht von Brandenburg wandte sich, nachdem er ihr einen Platz angeboten hatte, Magdalena zu. Dabei wechselte sein Gesichtsausdruck augenblicklich vom frommen Bittsteller zum aufgeblasenen, selbstherrlichen Machthaber.
    »Wie war

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