Die Frau des Zeitreisenden
verging ihnen allerdings, als sie in unserem Wohnzimmer standen und Clares schwere viktorianische Möbel und meine achtundsiebzig Bücherkisten sahen. Nun ist es dunkel, und ich wandere mit Clare durch das Haus, wir berühren die Wände, fahren mit den Händen über die Fensterbänke aus Kirschholz. Unsere nackten Füße platschen auf dem Holzfußboden. Wir lassen Wasser in die Badewanne mit den Klauenfußen ein, drehen die Brenner des schweren Universal-Ofens auf und zu. An den Fenstern sind keine Vorhänge; wir lassen die Lampen aus, und durch die staubigen Scheiben ergießt sich das Licht einer Straßenlaterne über den leeren Kamin. Clare streift von Raum zu Raum, streichelt ihr Haus, unser Haus. Ich folge ihr und beobachte, wie sie Schränke, Fenster und Kammern öffnet. Sie steht auf Zehenspitzen im Esszimmer, berührt das geschliffene Glas der Lampe mit der Fingerspitze. Dann zieht sie ihr Hemd aus. Ich fahre mit der Zunge über ihre Brüste. Das Haus hüllt uns ein, beobachtet uns, studiert uns, als wir zum ersten Mal darin miteinander schlafen, das erste von vielen Malen, und hinterher, als wir erschöpft auf dem bloßen Fußboden liegen, umgeben von Umzugskartons, bin ich fest überzeugt, dass wir unser Zuhause gefunden haben.
Sonntag, 28. August 1994 (Clare ist 23, Henry 31)
Clare: Es ist ein schwüler, stickiger Sonntagnachmittag, und Henry, Gomez und ich machen Evanston unsicher. Vormittags waren wir am Lighthouse Beach, haben im Lake Michigan geplantscht und in der Sonne gebraten. Gomez wollte im Sand vergraben werden, also haben Henry und ich ihm den Gefallen getan. Wir haben unser Picknick verzehrt und ein Nickerchen gemacht. Jetzt gehen wir auf der schattigen Seite der Church Street und schlecken, groggy von der Sonne, Orangeneis am Stiel.
»Clare, deine Haare sind voller Sand«, sagt Henry. Ich bleibe stehen, beuge mich vor und klopfe meine Haare mit der Hand aus wie einen Teppich. Ein ganzer Strand fällt heraus.
»Meine Ohren sind auch voll Sand. Und meine edleren Teile«, klagt Gomez.
»Auf den Kopf will ich dir gern eine hauen, aber den Rest musst du dann selber machen«, sage ich. Eine leichte Brise kommt auf, wir halten ihr unsere Körper entgegen. Ich drehe mein Haar auf dem Kopf zusammen und fühle mich sofort besser.
»Was machen wir jetzt?«, fragt Gomez. Henry und ich wechseln einen Blick.
»Bookman’s Alley«, rufen wir im Duett.
»Oh, Gott«, stöhnt Gomez. »Bitte kein Buchladen. Lord, Lady, habt Erbarmen mit eurem ergebenen Diener...«
»Also auf zu Bookman’s Alley«, sagt Henry ungerührt.
»Aber versprecht mir, dass wir nicht länger als, na, sagen wir, drei Stunden bleiben.«
»Ich glaube, sie schließen um fünf«, sage ich, »und es ist schon halb drei.«
»Du könntest solange ein Bier trinken«, schlägt Henry vor.
»Ich dachte, Evanston ist trocken.«
»Nein, das haben sie wohl wieder geändert. Wenn du beweisen kannst, dass du kein Mitglied im YMCA bist, darfst du ein Bier trinken.«
»Ich begleite euch. Alle für einen, einer für alle.« Wir biegen in die Sherman Street ein, schlendern an einem Outlet Store für Turnschuhe vorbei, in dem früher Marshall Field war, an einer Gap-Filiale, in dem früher das Varsity Theater war. Dann biegen wir in die kleine Gasse, die zwischen dem Blumenladen und dem Schuster verläuft, und siehe da - schon stehen wir vor Bookman’s Alley. Ich drücke die Tür auf, und wir marschieren in den schummrigen, kühlen Laden, in eine längst vergangene Zeit.
Roger sitzt hinter seinem kleinen unordentlichen Schreibtisch und plaudert mit einem rosigen, weißhaarigen Herrn über etwas, das mit Kammermusik zu tun hat. Er lächelt, als er uns sieht. »Clare, ich hab was, das dir gefallen wird«, sagt er. Henry steuert sofort den hinteren Teil des Ladens an, in dem sich die Druckschriften und bibliophilen Kostbarkeiten befinden. Gomez schlendert umher und betrachtet die komischen kleinen Objekte, die zwischen den verschiedenen Rubriken stecken: Ein Sattel bei den Western, eine Jagdmütze bei den Krimis. Bei den Kinderbüchern nimmt er ein Weingummi aus der gewaltigen Schale, ohne zu bemerken, dass die Dinger seit Jahren dort liegen und man sich damit etwas holen kann. Bei dem Buch, das Roger für mich hat, handelt es sich um einen holländischen Katalog für Dekorpapier mit echten Mustern darin. Ich sehe sofort, dass es ein Fundstück ist, und lege es auf den Tisch neben dem Schreibtisch, ein Anfang für den Haufen von Büchern, die
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