Die Frau des Zeitreisenden
dass es einen nennenswerten Einfluss auf das Proletariat hätte, wenn man die Erfindung von Bewegungsmeldern aufheben würde. Clare und ich kriegen zehn Punkte für richtige Antworten, Charisse fünf für Kreativität, und Henry geht drei Felder zurück, weil er die Bedürfnisse des Einzelnen über die der Gesellschaft gestellt hat.«
»Damit stehe ich wieder auf >Los<. Gib mir 200 Dollar, Bankfrau.« Charisse gibt Henry das Geld.
»Ups«, sagt Gomez. Ich lächle ihn an. Ich bin an der Reihe und würfle eine Vier.
»Parkstraße. Kauf ich.« Wer etwas kaufen will, muss eine Frage richtig beantworten. Henry zieht eine Karte vom Ereignisfeld-Stapel.
»Mit wem würdest du am liebsten essen gehen und warum: Adam Smith, Karl Marx, Rosa Luxemburg, Alan Greenspan?«
»Mit Rosa.«
»Warum?«
»Der interessanteste Tod.« Henry, Charisse und Gomez beraten sich und kommen überein, dass ich die Parkstraße kaufen darf. Ich gebe Charisse mein Geld, und sie reicht mir die Eigentumsurkunde. Henry würfelt und landet auf Einkommenssteuer. Auf Einkommenssteuer gelten ganz besondere Karten. Wir sind alle angespannt und furchtsam. Henry liest vor, was auf der Karte steht.
»Großer Sprung nach vorn.«
»Mist.« Wir geben Charisse unsere ganzen Immobilien, und sie packt sie zusammen mit ihren eigenen zurück ins Bankvermögen.
»Tja, so viel zur Parkstraße.«
»Tut mir Leid.« Henry zieht über das halbe Brett bis zur Münchner Straße. »Kauf ich.«
»Meine arme kleine Münchner Straße«, jammert Charisse. Ich ziehe eine Karte vom Frei-Parken-Stapel.
»Wie hoch ist der aktuelle Tauschkurs des japanischen Yen gegen den amerikanischen Dollar?«
»Keine Ahnung. Wer hat sich denn die Frage ausgedacht?«
»Ich.« Charisse lächelt.
»Und die Antwort?«
»99,8 Yen für einen Dollar.«
»Okay. Keine Münchner Straße. Du bist dran.« Henry gibt den Würfel an Charisse weiter. Sie würfelt eine Vier und landet im Gefängnis. Dann zieht sie eine Karte, die ihr sagt, welches Verbrechen sie begangen hat: Insidergeschäfte. Wir alle müssen lachen.
»Das klingt eher nach euch beiden«, sagt Gomez. Henry und ich lächeln bescheiden. Wir machen gerade einen Riesenreibach am Aktienmarkt. Um aus dem Gefängnis herauszukommen, muss Charisse drei Fragen beantworten.
Gomez nimmt eine Karte vom Ereignisfeld. »Erste Frage: Nenne zwei berühmte Künstler, mit denen Trotzki in Mexiko bekannt war.«
»Diego Rivera und Frieda Kahlo.«
»Gut. Zweite Frage: Wie viel bezahlt Nike den vietnamesischen Arbeitern pro Tag für die Herstellung dieser unglaublich teuren Turnschuhe?«
»Oh, Gott. Ich weiß nicht... Drei Dollar? Zehn Cents?«
»Wie lautet deine Antwort?« Ein gewaltiger Krach ertönt aus der Küche. Wir springen alle hoch, aber Henry sagt so nachdrücklich: »Setzt euch!«, dass wir ihm gehorchen. Er rennt in die Küche. Charisse und Gomez sehen mich verwirrt an. Ich schüttle den Kopf. »Ich weiß nicht.« Aber das stimmt nicht. Leises Stimmengemurmel, dann ein Stöhnen. Charisse und Gomez sitzen starr da und lauschen. Ich stehe auf und folge leise Henry.
Er kniet auf dem Boden und hält einen Spüllappen gegen den Kopf des nackten Mannes, der auf dem Linoleum liegt und natürlich Henry ist. Der Holzschrank, in dem sich unser Geschirr befindet, liegt auf der Seite; das Glas ist zerbrochen, das ganze Geschirr herausgefallen und in Scherben. Henry liegt inmitten des Durcheinanders, blutend und mit Glassplittern übersät. Beide Henrys blicken mich an, der eine kläglich, der andere beschwörend. Ich knie mich Henry gegenüber, über Henry. »Woher kommt das viele Blut?«, flüstere ich. »Ich glaube vom Kopf«, erwidert Henry leise. »Wir rufen einen Krankenwagen«, sage ich und fange an, Glassplitter aus Henrys Brust zu picken. Er schließt die Augen und sagt: »Nicht.« Ich höre auf.
»Heiliges Kanonenrohr!« Gomez ragt in der Tür auf. Hinter ihm steht Charisse auf Zehenspitzen und versucht, über seine Schulter zu spähen. »Mann«, sagt sie und zwängt sich an Gomez vorbei. Henry wirft einen Spüllappen über die Genitalien seines am Boden liegenden Duplikats.
»Oh, Henry, mach dir keine Sorgen, ich habe schon Abertausende von Modellen gezeichnet...«
»Ich will nur ein Minimum an Privatsphäre wahren«, faucht Henry. Charisse weicht zurück, als hätte er sie geschlagen.
»Hör mal, Henry...«, knurrt Gomez.
In diesem- Durcheinander kann ich einfach nicht nachdenken. »Seid bitte alle mal still«, verlange ich
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