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Die Frau des Zeitreisenden

Die Frau des Zeitreisenden

Titel: Die Frau des Zeitreisenden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Audrey Niffenegger
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ich möchte. Dann stöbere ich versonnen in den Regalen, atme den durchdringenden staubigen Geruch von Papier, Klebstoff, alten Teppichen und Holz ein. Ich sehe Henry, der in der Kunstabteilung auf dem Boden sitzt und ein aufgeklapptes Buch im Schoß hält. Er hat einen Sonnenbrand, seine Haare stehen in alle Richtungen ab. Ich bin froh, dass er sie abgeschnitten hat. In meinen Augen passen die kurzen Haare viel besser zu ihm. Er hebt die Hand hoch und will sich eine Strähne um den Finger wickeln, merkt aber, dass sie zu kurz sind, und kratzt sich am Ohr. Ich möchte ihn berühren, möchte ihm mit den Händen durch die ab-stehenden Haare fahren, aber ich wende mich ab und wühle mich stattdessen durch die Reiseabteilung.
     
    Henry: Clare steht im Hauptverkaufsraum neben einem Riesenstapel neu eingetroffener Bücher. Eigentlich mag Roger es nicht, wenn Leute in noch nicht ausgezeichneter Ware herumwühlen, aber mir ist aufgefallen, dass Clare bei ihm weitgehend tun und lassen kann, was sie will. Ihr Kopf ist über ein kleines rotes Buch geneigt. Ein paar widerspenstige Strähnen wollen aus dem Haarknoten auf ihrem Kopf entschlüpfen, und ein Träger ihres Strandkleids ist ihr über die Schulter gerutscht, so dass ein Stück von ihrem Badeanzug zu sehen ist. Der Anblick ist so ergreifend, so überwältigend, dass ich den brennenden Wunsch verspüre, zu ihr zu gehen, sie zu berühren und sie vielleicht (wenn keiner es sieht) zu beißen, gleichzeitig aber wünschte ich, dieser Augenblick würde nie enden, und plötzlich bemerke ich Gomez, der in der Krimiabteilung steht und Clare mit einem Ausdruck ansieht, der meine eigenen Gefühle so exakt widerspiegelt, dass ich unwillkürlich begreife...
    Im selben Moment blickt Clare zu mir auf und sagt: »Henry, sieh mal, das ist Pompeji.« Sie zeigt mir ein kleines Buch mit Bildpostkarten, und etwas in ihrer Stimme sagt: Siehst du, ich hab dich gewählt. Ich gehe zu ihr, lege einen Arm um ihre Schulter, rücke den verrutschten Träger wieder zurecht. Als ich eine Sekunde später aufblicke, hat Gomez uns den Rücken zugewandt und inspiziert interessiert die Agatha Christies.
Sonntag, 15. Januar 1995 (Clare ist 23, Henry 31)
     
    Clare: Ich spüle Geschirr ab, Henry schneidet grüne Paprikaschoten in Würfel. Über dem lanuarschnee in unserem Garten geht die Sonne an diesem frühen Sonntagabend mit sehr viel Rosa unter. Wir machen Chili und singen Yellow Submarine:
    In the town Where I was born Lived a man Who sailed to sea...
    Die Zwiebeln zischen in der Pfanne auf dem Herd. Wir singen gerade And our friends are all on board, als ich plötzlich nur noch meine eigene Stimme höre. Ich drehe mich um, und Henrys Sachen liegen auf einem Haufen, das Messer blinkt auf dem Küchenboden. Eine halbe Paprikaschote schwingt leicht auf dem Schneidebrett.
    Ich stelle die Hitze herunter und decke die Zwiebeln ab. Ich setze mich neben den Kleiderhaufen, hebe ihn auf und drücke die Sachen, die noch warm von Henrys Körper sind, an mich, bis die Wärme darin nur noch von mir kommt. Dann stehe ich auf und gehe in unser Schlafzimmer, falte die Sachen ordentlich zusammen und lege sie auf unser Bett. Danach koche ich so gut ich kann weiter, und am Ende esse ich allein, immer noch wartend und verwundert.
Freitag, 3. Februar 1995 (Clare ist 23, Henry 31 und 39)
     
    Clare: Gomez, Charisse, Henry und ich sitzen um unseren Esstisch und spielen >Moderne Kapitalismuskritik<, ein Spiel, das Gomez und Charisse erfunden haben. Wir spielen es mit einem Monopoly-Set. Man muss Fragen beantworten, Punkte sammeln, Geld anhäufen und seine Mitspieler ausbeuten. Gomez ist an der Reihe. Er würfelt eine Sechs und landet auf dem Gemeinschaftsfeld. Er zieht eine Karte.
    »Okay, alle zusammen. Welche technische Erfindung der Neuzeit würdet ihr zum Wohl der Gesellschaft abschaffen?«
    »Das Fernsehen«, schlage ich vor.
    »Weichspüler«, sagt Charisse.
    »Bewegungsmelder«, erklärt Henry mit Nachdruck.
    »Ich bin für Schießpulver.«
    »Nicht gerade Neuzeit«, wende ich ein.
    »Okay. Das Fließband.«
    »Du darfst nicht zwei Mal antworten«, sagt Henry.
    »Darf ich wohl. Und was für eine lahmarschige Antwort ist eigentlich >Bewegungsmelder    »Die Bewegungsmelder im Newberry-Magazin verraten mich dauernd. Allein in dieser Woche bin ich zweimal nach Besuchsschluss im Magazin gelandet, und kaum tauche ich auf, ist der Wachmann oben und sieht nach, was los ist. Das macht mich wahnsinnig.«
    »Ich glaube nicht,

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