Die Frau des Zeitreisenden
haufenweise Geld machen. Ziemlich ungerecht, oder? Und wenn ich richtig unehrlich wäre, könnte ich Sachen stehlen und mit in die Zukunft nehmen, wo mich niemand finden kann.«
»Du könntest ein Pirat sein!« Die Vorstellung von mir als Pirat scheint Clare sehr zu gefallen, denn sie vergisst sogar, dass ich der gefährliche Fremde bin. »Du könntest das Geld vergraben, eine Schatzkarte zeichnen und es in der Zukunft ausgraben.« Auf diese Weise finanzieren Clare und ich tatsächlich mehr oder minder unser chaotisches Leben. Als Erwachsene findet Clare unser Vorgehen leicht unmoralisch, auch wenn es uns auf dem Aktienmarkt Vorteile bringt.
»Tolle Idee. Aber ich brauche eigentlich kein Geld, sondern Kleider.«
Clare sieht mich zweifelnd an.
»Dein Dad hat nicht zufällig ein paar Sachen, die er nicht braucht? Schon eine Hose wäre großartig. Ich meine, mir gefällt dein Handtuch, versteh mich bitte nicht falsch, aber da, wo ich herkomme, trage ich immer gern Hosen.« Philip Abshire ist ein bisschen kleiner als ich und ungefähr fünfzehn Kilo schwerer. Seine Hosen sehen komisch an mir aus, aber wenigstens sind sie bequem.
»Ich weiß nicht...«
»Schon gut, du musst sie nicht sofort holen. Aber es wäre sehr nett, wenn du mir nächstes Mal welche mitbringen würdest.«
»Nächstes Mal?«
Ich nehme ein unbeschriebenes Blatt Papier und einen Bleistift. In Blockbuchstaben schreibe ich: DONNERSTAG, 29. SEPTEMBER 1977 NACH DEM ABENDESSEN. Ich reiche Clare das Blatt, sie nimmt es vorsichtig entgegen. Mein Blickfeld verschwimmt. Ich kann hören, wie Etta nach Clare ruft. »Unser Treffen bleibt ein Geheimnis, Clare, in Ordnung?«
»Warum?«
»Darf ich nicht sagen. Ich muss jetzt los. War schön, dich zu sehen. Und nimm keine hölzernen Nickel an.« Ich halte ihr meine Hand hin, und Clare nimmt sie tapfer. Kaum schütteln wir uns die Hand, verschwinde ich.
Mittwoch, 9. Februar 2000 (Clare ist 28, Henry 36)
Clare: Es ist noch früh, ungefähr sechs Uhr morgens, und ich schlafe den leichten traumerfüllten Sechsuhrmorgenschlaf, als Henry mich mit voller Wucht weckt, und mir bewusst wird, er kommt aus einer anderen Zeit. Er nimmt praktisch auf mir Gestalt an, so dass mir ein Schrei entfährt und wir uns beide vor Schreck fast in die Hosen machen, aber dann lacht er und wälzt sich herum, worauf auch ich mich herumwälze und sehe, dass er am Mund stark blutet. Ich springe auf, um einen Waschlappen zu holen, und als ich zurückkomme und ihm behutsam die Lippen abtupfe, lächelt Henry immer noch.
»Wie ist das passiert?«
»Du hast einen Schuh nach mir geworfen.« Ich kann mich nicht entsinnen, jemals etwas nach Henry geworfen zu haben.
»Stimmt nicht.«
»Doch. Wir sind uns zum allerersten Mal begegnet, und kaum dass du mich erblicktest, hast du gesagt: >Diesen Mann werde ich heiraten<, und mir eins vor den Latz geknallt. Ich wusste schon immer, dass du eine ausgezeichnete Menschenkenntnis besitzt.«
Donnerstag, 29. September 1977 (Clare ist 6, Henry 35)
Clare: Auf dem Kalender auf Daddys Schreibtisch stand heute früh das gleiche Datum wie auf dem Papier von dem Mann. Nell hat Alicia ein weiches Ei gekocht und Etta hat mit Mark geschimpft weil er seine Hausaufgaben nicht machen wollte sondern Frisbee mit Steve spielte. Ich sagte Etta darf ich ein paar Kleider aus den großen Koffern nehmen? und meinte damit die Koffer auf dem Dachboden wo wir immer Verkleiden spielten, und Etta sagte Wofür denn? worauf ich erwiderte Ich möchte mit Megan Verkleiden spielen aber Etta wurde sauer und sagte Es ist Zeit, in die Schule zu gehen, ums Spielen kannst du dich später kümmern. Ich ging also in die Schule und wir hatten Addieren Mehlwürmer und Englisch und nach dem Mittagessen Französisch Musik und Religion. Den ganzen Tag dachte ich an die Hose für den Mann weil er anscheinend wirklich eine brauchte. Zu Hause wollte ich Etta noch mal fragen aber sie war in der Stadt dafür ließ mich Nell den Kuchenteig von beiden Schneebesen schlecken was Etta nie erlaubt weil man davon Salmonellen kriegt. Mama saß am Schreibtisch und ich wollte gerade ohne Erlaubnis Weggehen aber sie sagte Was ist denn, Schatz ? also fragte ich sie und sie sagte ich darf in den Goodwill-Tüten nachsehen und alles haben was ich möchte. Ich ging in die Wäschekammer und schaute in den Goodwill-Tüten nach und fand drei Hosen von Dad aber eine hatte ein großes Brandloch von einer Zigarette. Also nahm ich nur zwei und fand noch ein Hemd wie
Weitere Kostenlose Bücher