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Die Frau des Zeitreisenden

Die Frau des Zeitreisenden

Titel: Die Frau des Zeitreisenden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Audrey Niffenegger
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stehe kurz davor, als der flüchtige Freak überführt zu werden, der ich letztendlich auch bin. Diesen Augenblick habe ich, gelinde gesagt, immer gefürchtet.
    Ich schreite auf und ab, um warm zu bleiben, bekomme davon aber rasende Kopfschmerzen. Ich gebe es auf, setze mich in der Mitte des Käfigs auf den Boden und mache mich so klein wie möglich. Stunden vergehen. Im Geist spiele ich den Vorfall durch, übe meinen Text, überdenke alle Möglichkeiten, wie es hätte besser oder schlechter laufen können. Schließlich bin ich das Ganze leid und lege mir im Kopf Platten auf. That’s Entertainment von den Jam, Pills and Soap von Elvis Costello, Perfect Day von Lou Reed. Ich versuche gerade den Text des Gang-of-Four-Songs I Love a Man in a Uniform vollständig zu erinnern, als die Lichter blinkend angehen. Natürlich ist es Kevin der Sicherheits-Nazi, er öffnet die Bibliothek. Kevin ist der letzte Mensch auf der ganzen Welt, dem ich nackt und gefangen im Käfig begegnen möchte, aber natürlich entdeckt er mich, sobald er hereinkommt. Ich liege eingerollt auf dem Boden und spiele Beutelratte.
    »Wer ist da?«, fragt Kevin lauter als nötig. Ich stelle mir vor, wie er käsig und verkatert dasteht, im dumpfigen Licht des Treppenhauses. Seine Stimme prallt ringsherum ab, hallt vom Beton wider. Kevin steigt die Treppe herunter und bleibt ungefähr drei Meter von mir entfernt stehen. »Wie Sind Sie da reingekommen?« Er läuft um den Käfig herum. Ich gebe weiterhin den Bewusstlosen. Da ich keine Erklärung parat habe, brauche ich mich auch gar nicht erst zu bemühen. »Mein Gott, das ist ja DeTamble.« Ich kann förmlich spüren, wie er dasteht und gafft. Schließlich erinnert er sich an sein Funkgerät. »Ähm, zehn-vier, hey, Roy.« Unverständliches statisches Rauschen. »Ähm, ja, Roy, ich bin’s, Kevin, ähm, könntest du mal runter nach A46 kommen? Ja, ganz unten.« Protest. »Komm einfach hier runter.« Er schaltet das Funkgerät ab. »Himmel, DeTamble, ich weiß ja nicht, was Sie damit beweisen wollen, aber jetzt haben Sie’s jedenfalls geschafft.« Ich höre ihn herumlaufen. Seine Schuhe quietschen, und er gibt leise Grunzer von sich. Ich nehme an, er hat sich auf die Treppe gesetzt. Ein paar Minuten später öffnet sich oben eine Tür und Roy kommt herunter. Roy ist mein liebster Wachmann. Er ist ein riesiger afroamerikanischer Gentleman, dem immer ein wunderschönes Lachen im Gesicht steht. Er ist der König am Informationstisch, und ich bin immer froh, wenn ich zur Arbeit komme und mich in seiner herrlich guten Laune sonnen kann.
    »Brr«, sagt Roy. »Was haben wir denn da?«
    »Das ist DeTamble. Ich weiß beim besten Willen nicht, wie er da reingekommen ist.
    »DeTamble? Nein so was. Der Junge hat wirklich einen Hang dazu, seinen Schwanz auszulüften. Hab ich dir schon von dem einen Mal erzählt, als er im Adamskostüm durch den zweiten Stock gerannt ist?«
    »Ja, hast du.«
    »Also, irgendwie müssen wir ihn wohl rausholen.«
    »Er rührt sich nicht.«
    »Aber er atmet. Meinst du, er ist verletzt? Vielleicht sollten wir einen Krankenwagen rufen?«
    »Erst mal brauchen wir die Feuerwehr, die muss ihn mit einem Brennschneider rausholen, wie man sie für Autowracks verwendet.« Kevin klingt aufgeregt. Ich will keine Feuerwehr oder Sanitäter. Stöhnend setze ich mich auf.
    »Guten Morgen, Mr DeTamble«, flötet Roy. »Sie sind ein bisschen früh hier, nicht wahr?«
    »Nur ein bisschen«, gebe ich zu und ziehe die Knie ans Kinn. Mir ist so kalt, dass mir die Zähne vom Zusammenbeißen wehtun. Ich mustere Kevin und Roy, und sie erwidern meinen Blick. »Sie sind wahrscheinlich nicht bestechlich, meine Herren?«
    Sie wechseln Blicke. »Kommt drauf an«, sagt Kevin, »woran Sie dabei denken. Wir können die Sache nicht verschweigen, weil wir sie nicht allein rauskriegen.«
    »Nein, nein, das erwarte ich gar nicht.« Sie wirken erleichtert. »Hören Sie. Ich zahle jedem von Ihnen hundert Dollar, wenn Sie mir zwei Gefallen tun. Erstens möchte ich, dass einer von Ihnen losgeht und mir einen Becher Kaffee holt.«
    Roys Mund öffnet sich zu seinem patentrechtlich geschützten König-am-Informationstisch-Lachen. »Himmel, Mr DeTamble, das mach ich sogar umsonst. Wobei ich natürlich nicht weiß, wie Sie den trinken wollen.«
    »Bringen Sie einen Strohhalm mit. Und holen Sie ihn nicht aus den Automaten in der Eingangshalle. Gehen Sie raus und besorgen Sie richtigen Kaffee. Mit Milch, ohne Zucker.«
    »Wird gemacht«,

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