Die Frau des Zeitreisenden
verspricht Roy.
»Und der zweite Gefallen?«, fragt Kevin.
»Ich möchte, dass Sie in die Sondersammlung hochgehen und sich ein paar Sachen zum Anziehen aus meinem Schreibtisch schnappen, untere Schublade rechts. Wenn Ihnen das gelingt, ohne dass jemand Ihr Vorhaben bemerkt, gibt’s Bonuspunkte.«
»Kein Problem«, sagt Kevin, und ich überlege schon, warum ich diesen Mann eigentlich nie mochte.
»Schließ das Treppenhaus lieber ab«, sagt Roy zu Kevin, der nickt und loszieht, um den Auftrag auszuführen. Roy steht an der Seite des Käfigs und sieht mich mitfühlend an. »Wie sind Sie da eigentlich reingekommen?«
Ich zucke die Schultern. »Darauf habe ich leider keine befriedigende Antwort.«
Roy lächelt, schüttelt den Kopf. »Tja, denken Sie drüber nach und ich geh Ihnen inzwischen den Kaffee holen.«
Ungefähr zwanzig Minuten verstreichen. Schließlich höre ich, wie eine Tür aufgeschlossen wird, und Kevin die Treppe herunterkommt, gefolgt von Matt und Roberto. Kevin fängt meinen Blick auf und hebt kurz die Schultern, als wollte er sagen, Ich hab’s versucht. Er fädelt mein Hemd durch den Maschendraht des Käfigs, und ich ziehe es an, während Roberto mit verschränkten Armen dasteht und mich kalt mustert. Die Hose ist ein bisschen sperrig, und es kostet einige Mühe, sie in den Käfig zu zwängen. Matt sitzt mit zweifelnder Miene auf der Treppe. Ich höre, wie sich die Tür erneut öffnet. Es ist Roy, er bringt mir Kaffee und ein süßes Brötchen. Er steckt einen Strohhalm in den Kaffee und stellt ihn auf den Boden neben das Brötchen. Ich muss den Blick gewaltsam davon lösen und auf Roberto lenken, der sich an Roy und Kevin wendet und fragt: »Könntet ihr mich einen Augenblick mit ihm allein lassen?«
»Aber sicher, Dr. Calle.« Die Wachmänner gehen nach oben und zur Tür ins Erdgeschoss hinaus. Nun bin ich allein, gefangen und ohne jegliche Erklärung für Roberto, den ich verehre und den ich wiederholt belogen habe. Nun bleibt nur die Wahrheit, auch wenn sie haarsträubender ist als jede meiner Lügen.
»Na gut, Henry«, sagt Roberto. »Dann mal los.«
Henry : Es ist ein herrlicher Septembermorgen. Wegen Alba (sie wollte sich nicht anziehen lassen) und der Bahn (sie kam ewig nicht) verspäte ich mich bei der Arbeit, aber nicht allzu sehr, zumindest für meine Verhältnisse. Als ich mich am Informationstisch zum Dienst melde, ist da nicht Roy, sondern Marsha. »Hey, Marsha, wo ist Roy?«, frage ich, worauf sie erwidert: »Ach, der kümmert sich um eine Angelegenheit.« Ich gebe ein erstauntes »Oh« von mir und nehme den Fahrstuhl in den dritten Stock.
»Du kommst zu spät«, sagt Isabelle in der Sondersammlung.
»Aber nicht viel«, entgegne ich und gehe in mein Büro. Matt steht am Fenster und sieht auf den Park hinaus.
»Hallo Matt«, sage ich, und Matt schreckt zusammen.
»Henry!«, entgegnet er und wird ganz bleich. »Wie bist du aus dem Käfig gekommen?«
Ich stelle meinen Rucksack auf den Schreibtisch und sehe ihn fragend an. »Aus dem Käfig?«
»Du ... ich bin eben von unten gekommen ... du warst im Käfig eingeschlossen, und Roberto ist noch unten ... du hast mir gesagt, ich soll hier oben warten, aber du hast nicht gesagt, worauf...«
»Mein Gott.« Ich setze mich auf den Schreibtisch. »O mein Gott.« Matt lässt sich auf meinen Stuhl nieder und blickt zu mir auf. »Hör mal, ich kann alles erklären...«, setze ich an.
»Kannst du das?«
»Klar.« Ich überlege einen Augenblick. »Ich ... verstehst du ... ach, Mist.«
»Es muss ziemlich unheimlich sein, nicht wahr, Henry?«
»Ja, könnte man sagen.« Wir schauen uns an. »Pass auf, Matt... lass uns nach unten gehen und nachsehen, was los ist, dann erkläre ich es dir und Roberto zusammmen, gut?«
»Gut.« Wir stehen auf und gehen nach unten.
Auf dem Weg durch den Ostflur sehe ich Roy, der am Eingang zum Treppenhaus herumtrödelt. Er erschrickt, als er mich sieht, und will mir gerade die nahe liegende Frage stellen, als ich Catherine im Vorbeisausen sagen höre: »Hallo, Jungs, was gibt’s?«, und dann will sie die Tür zur Treppe öffnen. »Hey, Roy, wieso ist die nicht auf?«
»Ähm, nun, Ms Mead«, Roy blickt kurz zu mir, »wir hatten da ein Problem mit, hm...«
»Schon gut, Roy«, sage ich. »Komm mit, Catherine. Roy, könnten Sie so nett sein und hier oben bleiben?« Er nickt und lässt uns ins Treppenhaus.
Als wir eintreten, höre ich Roberto sagen: »Pass auf, mir gefällt nicht, dass du da drinnen
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