Die Frau, die ein Jahr im Bett blieb (German Edition)
Schnodder über ihren Lippen. Er konnte gar nicht hinsehen. Er nahm die Haare und strich sie hinter ihr linkes Ohr.
Sie sagte: »I think our joy will fill the earth and last till the end of time.«
Brian junior sagte: »Das glaube ich kaum.«
Poppy fragte: »Was glaubst du kaum?«
Brian junior sagte: »Die Sache mit der Freude, die die Welt ausfüllt und bis ans Ende der Zeit reicht. Beides ist unmöglich. Freude kann weder die Welt ausfüllen, noch kann sie bis ans Ende der Zeit reichen. Da Zeit nicht enden kann.«
Poppy gähnte übertrieben.
Er wollte sie bitten zu gehen, wusste aber nicht wie. Er wollte sie nicht verletzen oder beleidigen, doch er sehnte sich nach einem Entrinnen und nach Schlaf. Er stand auf, befreite sich von ihr und hob ihr Nachthemd auf. Es war kalt und feucht.
Er gab es ihr und sagte: »Ich möchte dir etwas zeigen.«
Poppy hörte auf zu weinen. Er streckte seine Hand aus, zog sie auf die Füße und deutete auf die Büroklammernreihen. Dann nahm er die Übriggebliebene und fragte: »Wo würdest du sie hinlegen?«
Sie starrte auf die Büroklammern, dann wieder in sein Gesicht. Und dann sagte sie, mit einer Stimme, die er noch nicht kannte: »Steck sie dir doch in den Arsch!«
Sie ging hinaus auf den Flur, noch immer nackt.
Brian hörte sie an die Tür des Nachbarzimmers klopfen, wo Ho, der Chinese, wohnte. An jenem ersten Nachmittag hatte Brian ein nervöses Lächeln mit Ho gewechselt, als sie ihr Essen in den großen Kühlschrank und die zugeteilten Küchenschränke räumten. Nun hörte er ihn die Tür öffnen, dann hörte er Poppy schluchzen.
Er ging wieder ins Bett, konnte aber nicht schlafen. Er hielt die übriggebliebene Büroklammer in der Hand und bog sie zu einem winzigen Speer. Er wusste, wenn er sie nicht irgendwo unterbrachte, würde er bis zum Morgengrauen wach bleiben.
Er öffnete das Fenster, so weit es ging, und schnipste die verbogene Büroklammer in die kalte Nacht. Bevor er das Fenster wieder schloss, blickte er in den klaren Himmel, wo Hunderte von Sternen auf ihn herabschienen. Eilig wandte er den Blick ab – bevor er damit anfing, sie zu bestimmen, oder zu intensiv über die Milliarden nachzudenken, die unsichtbar blieben.
Brian junior wurde wach, als es dämmerte, und er verspürte eine innere Unruhe. Er stand auf und ging nach draußen, um die Büroklammer zu suchen. Es dauerte nicht lange, bis er sie fand. Als er ins Gebäude zurückwollte, kam er nicht rein. Er hatte seinen Schlüssel vergessen, was ihm seit seinem dreizehnten Lebensjahr mindestens zweimal pro Woche passierte.
Er setzte sich auf die kalten Betonstufen und wartete.
Es war Ho, der ihn reinließ und ihn informierte, dass Poppy ihn runtergeschickt hatte, um Frühstück für sie zu holen. »Einen doppelten Latte und ein Frühaufsteher-Frühstück. Dann vom Kiosk zwanzig Silk Cuts, eine Hello! und die Sun. Ich mache Witz mit Poppy. Ich ihr sage: ›Kannicht kaufen Sun.‹ Sie sagen: ›Warum nicht?‹ Dann – das sein Witz – ich sagen: ›Niemand kann Sonne kaufen, ist zu weit weg und zu heiß!‹«
Hos rundes Gesicht strahlte.
Er war entzückt von seinem Witz, bis sie Poppy durch den Spalt von Hos Fenster schreien hörten: »Hey! Ho! Mach hinne!«
Ho ließ Brian junior ins Gebäude und trabte in Richtung Kiosk.
11
Nachdem Eva das Bett eine Woche nicht verlassen hatte, ließ Ruby Dr. Bridges kommen.
Eva konnte hören, was ihre Mutter dem Arzt erzählte, als sie die Treppen hochkamen.
»Sie ist sehr sensibel. Ihr Vater sagte immer, ihre Nerven sind so angespannt, dass man ein Violinkonzert darauf spielen könnte. Meine Beine machen mir zu schaffen, Doktor. Die Venen an meinen inneren Oberschenkeln sehen aus wie rote Weintrauben. Vielleicht können Sie kurz einen Blick darauf werfen, bevor Sie gehen?«
Eva wusste nicht, ob sie liegen oder sitzen sollte. Sie befürchtete, Dr. Bridges könnte denken, er vergeude mit ihr nur seine Zeit.
»Der Doktor ist hier. Sie sind durch den Schnee gelaufen, als sie zehn war und Hirnhautentzündung hatte, stimmt’s, Dr. Bridges?«
Eva konnte sehen, dass Dr. Bridges Rubys plumpe Vertraulichkeit schon seit Jahren leid war. Sie setzte sich auf und verschränkte die Arme um ein Kissen.
Dr. Bridges kam drohend näher. Mit seiner Tweedmütze und der Barbourjacke wirkte er eher wie ein Gutsherr als ein Arzt. Mit dröhnender Stimme sagte er: »Guten Morgen. Ihre Mutter hat mir erzählt, dass Sie seit einer Woche das Bett nicht verlassen haben. Ist das
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