Die Frau, die ein Jahr im Bett blieb (German Edition)
Noch mehr Opiate könnten zu Überdosierung, Koma und Tod führen.«
»Genau das wollen wir!«, rief die Frau. »Wir wollen ihn erlösen. Wir wollen seinen Tod!«
»Und das wäre Vatermord und Sie würden ins Gefängnis wandern. Und ich habe hier einen Zeugen.«
Schwester Spears sah Eva an und wartete auf ihr Nicken.
Eva beugte sich zum Telefon und rief: »Rufen Sie einen Krankenwagen! Bringen Sie ihn in die Notaufnahme. Die geben ihm etwas gegen die Schmerzen und werden Schwester Spears fragen, warum sie einen Patienten so leiden lässt.«
Mr. Kellys Schreie waren unerträglich.
Evas Herz schlug so schnell wie ein aufziehbares Trommelmännchen.
Schwester Spears rammte die Nadel tiefer in Evas Arm, riss sie heraus und beendete gleichzeitig das Gespräch.
Eva stieß einen Schmerzensschrei aus. »Sie könnten ernsthafte Schwierigkeiten bekommen. Warum geben Sie ihm nicht, was er braucht?«
Schwester Spears sagte: »Harold Shipman ist schuld. Er hat über zweihundert Patienten mit Morphium umgebracht. Seitdem müssen wir vorsichtig sein.«
Eva sagte: »Ich ertrage das nicht.«
Schwester Spears sagte: »Ich werde dafür bezahlt, es zu ertragen.«
19
In den nächsten Tagen sah Alexander Eva häufig. Er entsorgte das Radio, den Fernseher, die Nachttische, das Telefon, die Meeresbilder, das Modell des Sonnensystems, bei dem Jupiter fehlte, und ganz zum Schluss Evas Billy-Regal von Ikea.
Er hatte das gleiche zu Hause, allerdings hätten die Bücher darin nicht unterschiedlicher sein können.
Alexanders Bücher waren makellose schwere Bände über Kunst, Architektur, Design und Fotografie. Zusammen waren sie so schwer, dass das Regal mit langen Mauerschrauben an der Wand befestigt werden musste. Evas Bücher waren englische, irische, amerikanische, russische und französische Literaturklassiker, darunter sowohl zerfledderte Taschenbücher als auch Erstausgaben. Madame Bovary befand sich in nächster Nähe von Tom Jones, und Rabbit Redux stand neben Der Idiot. Die arme, brave Jane Eyre wurde von David Copperfield und Lucky Jim flankiert. Der kleine Prinz stand Rücken an Rücken mit Eine Pfarrerstochter.
Sie sagte: »Viele davon besitze ich seit meiner Jugend. Die meisten Taschenbücher habe ich vom Leicester Market.«
Alexander fragte: »Die behältst du doch, oder?«
»Nein«, sagte Eva.
»Die darfst du nicht weggeben«, sagte er.
»Kannst du sie nehmen?«, fragte sie, und es klang, als wären die Bücher Waisenkinder, die ein neues Zuhause suchten.
»Ich nehme die Bücher gern, aber ich kann kein Regal mehr bei mir unterbringen. Ich wohne in einem Mauseloch«, sagte er. »Aber was ist mit Brian und den Kindern – wollen die sie nicht?«
»Nein, das sind Zahlenmenschen, sie misstrauen Worten. Also, nimmst du sie mit zu dir nach Hause?«
»Na gut.«
Eva sagte: »Lügst du mich bitte an und versprichst mir, sie zu lesen? Bücher müssen gelesen werden.«
»Oh Mann, du liebst diese Bücher. Warum gibst du sie weg?«
»Seit ich lesen gelernt habe, sind sie eine Art Betäubungsmittel für mich. Ich kann mich an die Zeit nach der Geburt der Zwillinge kaum erinnern, aber ich weiß noch genau, welches Buch ich gelesen habe.«
»Und welches war es?«
»Es war Das Meer, das Meer. Ich fand es toll, zwei Babys im Arm zu halten, aber – und das findest du sicher schlimm – nach zwanzig Minuten wollte ich zurück zu meinem Buch.«
Sie lachten über diesen Mangel an Mutterinstinkt.
Eva bat Alexander, das Regal zu Brianne nach Leeds zu bringen. Sie sortierte ihren Schmuck und nahm die wertvollen Stücke beiseite – einen Diamantring, den Brian ihr zum zehnten Hochzeitstag geschenkt hatte, diverse Achtzehn-Karat-Goldketten, drei schmale Silberarmbänder, eine Halskette aus mallorquinischen Perlen und Platinohrringe, die sie sich selbst gekauft hatte, in der Form eines Fächers, von dem schwarze Onyxtropfen hingen. Dann schrieb sie eine Nachricht auf eine Seite, die sie aus Alexanders Notizbuch gerissen hatte.
Liebstes Kind,
wie du siehst, schicke ich dir den Familienschmuck. Ich habe dafür keine Verwendung mehr. Das Gold ist achtzehn Karat, und das, was wie Silber aussieht, ist Platin. Vielleicht ist der Schmuck nicht nach deinem Geschmack, aber ich bitte dich, ihn zu behalten. Ich weiß, du hast dir geschworen, nie zu heiraten oder Kinder zu kriegen, aber vielleicht änderst du deine Meinung noch. Vielleicht hast du eines Tages eine Tochter, die etwas davon trägt. Sag Brian junior, ich schicke ihm etwas
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