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Die Frau, die nicht lieben wollte und andere wahre Geschichten über das Unbewusste (German Edition)

Die Frau, die nicht lieben wollte und andere wahre Geschichten über das Unbewusste (German Edition)

Titel: Die Frau, die nicht lieben wollte und andere wahre Geschichten über das Unbewusste (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Grosz
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sich unterhielt. » Merkst du denn gar nicht, wenn die Leute abschalten?«, hatte sie gefragt und sich dann von ihm getrennt.
    Einige Wochen später wurde Graham vom Senior Partner der Anwaltskanzlei, für die er arbeitete, zu sich gerufen. Man sagte ihm, dass an seiner Arbeit nichts auszusetzen sei und dass man seine vielen Überstunden zu schätzen wisse, doch wurde ihm warnend mitgeteilt, dass seine Kunden nicht mit ihm redeten. Falls Graham wünschte, zum Partner aufzusteigen, mussten sich die Kunden ihm verbunden fühlen und ihn mit ihren Problemen anrufen wollen. Graham sah die Zukunft gefährdet, die er für sich ausgemalt hatte. Besorgt und deprimiert kam er zu mir.
    In den ersten Monaten seiner Analyse langweilte Graham mich auch. Je weiter unsere Arbeit gedieh, desto heftiger ödeten mich unsere Stunden an. Vor jeder Sitzung trank ich einen Kaffee und spritzte mir kaltes Wasser ins Gesicht, was aber kaum half: Langeweile ist keine Müdigkeit. Ich halte sie für eine körperliche Reaktion ähnlich der Übelkeit. In den Sitzungen vor und nach Graham ging es mir gut, während seiner Stunde aber fühlte ich mich immer mehr wie betäubt. Ich war mir nicht sicher, warum das so war. Graham hörte sich meine Überlegungen an und brachte eigene Ideen vor, stellte Fragen und verlangte Erklärungen; er wusste meine Arbeit auch zu schätzen, berichtete sogar von Verbesserungen. Und doch fühlte sich all das hohl an. Wir redeten über ihn, aber nur selten hatte ich das Gefühl, das er mit mir redete.
    Es gab noch ein Rätsel: Grahams Leben hätte mich eigentlich interessieren müssen. Seine Eltern und Großeltern arbeiteten in der Filmindustrie, und bei seiner Arbeit als Anwalt ging es um eine Reihe ebenso komplizierter wie faszinierender Fälle. Sein Leben war interessant, nur konnte er aus irgendeinem Grund bei anderen Menschen kein Interesse dafür wecken.
    Für einen Analytiker kann die Langeweile ein nützliches Instrument sein. Sie mag ein Anzeichen dafür sein, dass der Patient bestimmte Themen meidet, dass er oder sie nicht in der Lage ist, unmittelbar über etwas Intimes oder Peinliches zu reden. Sie kann auch bedeuten, dass Patient und Analytiker feststecken, dass der Patient immer wieder zu Gefühlen zurückkehrt, zu einem Kummer oder Verlangen, zu etwas also, um das sich der Analytiker nicht angemessen kümmert. Ein langweiliger Mensch ist womöglich eifersüchtig und lässt jedes Gespräch im Sande verlaufen – bricht es ab oder zieht es endlos in die Länge –, weil er es nicht ertrüge, sich von jemand anderem hilfreiche oder triftige Gedanken anzuhören. Oder der langweilige Patient stellt sich tot; denn so wie manche Tiere im Dschungel nur überleben, wenn sie sich totstellen, können sich auch manche Menschen komplett abschotten, wenn sie Angst haben. Außerdem trifft es zu, dass Analytiker und Patient sich manchmal unbewusst ergänzen, um die Lage zu entspannen, da sie fürchten, die Atmosphäre während ihrer Sitzungen könnte emotional zu aufgeladen oder zu erregend werden. (Vor einigen Jahren merkte ich, wie meine Stunden mit einer jungen attraktiven Frau immer lebloser verliefen. Müsste ich raten, würde ich heute sagen, dass wir beide unbewusst jegliche Gefühlsaufwallung zu verhindern suchten.)
    Dennoch verstand ich nicht, was in Grahams Sitzungen vor sich ging. Es stimmte, dass er Engagement und Konflikt mied. So hatte ich zum Beispiel nie den Eindruck, dass er den Beruf des Anwalts mit großer Leidenschaft ausübte – ich nahm an, dass er damit nur seine Eltern zufriedenstellen wollte, denen er sehr nahestand. Er verbrachte noch die meisten Urlaube mit seinen Eltern. Als ich mir aber diesen Mangel an Unstimmigkeiten genauer vornehmen wollte, lachte er. »Das ist es also?«, fragte er. »Ich bin depressiv, weil ich nicht auf meine Eltern wütend sein kann?«
    Eines Tages erzählte Graham, er sei mit Richard, einem Arbeitskollegen, einen trinken gegangen. Sie wollten für ein paar Stunden abschalten, aber schon nach einer Dreiviertelstunde sei Richard eingefallen, dass er noch etwas zu erledigen habe, weshalb er sich verabschiedete. Ich nahm an, dass Graham mir die Geschichte erzählte, weil er wusste, dass Richard sich gelangweilt hatte. Also fragte ich: »Haben Sie je den Eindruck, dass Sie andere Menschen langweilen?«
    »Mir fällt auf, wenn Leute mir nicht länger zuhören oder den Blick abwenden, falls es das ist, was Sie meinen.«
    »Hat Richard den Blick abgewendet?«
    »Hat er,

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