Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Frau die nie fror

Die Frau die nie fror

Titel: Die Frau die nie fror Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Elo
Vom Netzwerk:
mit Krokodilen, und sogleich werden Sie sehen – ja, da sind sie, man kann sie so gerade eben erkennen –, wie die Löwin und zwei Junge ihn durchqueren. Eines der Jungen ist langsamer. Sehen Sie nur, wie sie es aus dem Wasser zieht und aufs Ufer wirft. Sie sind gerade von Duba Island zurück, wo eine Büffelherde weidet – wilde Tiere, mit gewaltigen Hörnern, die einfach alles aufschlitzen können –, und jetzt muss sie sich gegen rivalisierende Rudel behaupten und nun« – Ekborg stößt ein leises, bescheidenes Lachen aus – »auch gegen unsereins.«
    »Mach hinne, mein Freund. Manche von uns waren dabei. Wir brauchen keine Unterrichtsstunde!«, ruft Petrenko.
    Ekborg sieht mich entschuldigend an, weil der Russe das Film­erlebnis ruiniert. »Du kannst warten, Jewgeni. Ich möchte die Bühne für das große Schauspiel vorbereiten.«
    »Welche Bühne denn?«, brüllt Petrenko zurück. »Da! Da bist du ja!«
    Ekborg sieht schnell wieder auf die Leinwand und sagt ganz aufgeregt: »Ja, das bin ich. Da bin ich.«
    Der Jeep hat angehalten, und jetzt ist die Kamera einigermaßen ruhig. Ekborg ist rechts im Bild aufgetaucht und geht auf das hohe Gras zu. Er trägt ein grünes Durag auf dem Kopf, ein schmutziges Muscleshirt und eine lange khakifarbene Hose. Er ist sonnengebräunt und stark verschwitzt. Über der Schulter trägt er eine schwere Waffe, dennoch bewegt er sich mit sportlicher Anmut und wirkt beschwingt.
    »Die Kamera verliert sie hier, aber ich weiß, wohin sie sich geschlichen hat. Sie ist immer noch nahe am Fluss, arbeitet sich Richtung Flachland vor. Ich weiß, dass sie mich schon bald wittern wird, und sie ist schnell, also passe ich besser gut auf! Eine schnelle Katze. Aber ich bin schneller.« Er lacht.
    »Sieh doch an! Ein schwedischer Narr«, gluckst Petrenko.
    Lawler und Jaeger grunzen zustimmend.
    Es wird still im Salon. Im Video ist Ekborg stehen geblieben, erstarrt. Er hebt das Gewehr, senkt es wieder, hebt es erneut, geht noch ein paar Schritte weiter. Man sieht ein leichtes Zittern in den Spitzen des Grases. Und dann, ganz langsam, wird die Löwin zwischen den Stängeln sichtbar, wie ein verborgenes Bild, das nun zutage tritt. Sie ist gelb, und sie betritt das Flachland ohne Eile. Ein Junges flitzt vor ihr her. Das andere folgt purzelnd.
    Ein Schuss ertönt, und sie knickt weg, sackt zuerst auf eine Schulter und bricht dann einfach zusammen. Es ist ein Schock, die Endgültigkeit mit anzusehen, mit der ihr ein weiterer Zen­timeter, ein weiterer Schritt, ein weiterer Atemzug verweigert worden ist. Wie ihr Körper innerhalb eines Augenblicks in einen reglosen Haufen verwandelt wird.
    Die Jungen tollen weiter über das Flachland.
    Ekborg hält das Video an. Die ganze Sache hat nur ein paar Minuten gedauert, aber es kommt einem viel länger vor. Es liegt eine Schwere über dem Raum, beinahe eine benommene Sättigung, so als wäre etwas wirklich Profundes passiert. Und so ist es auch. Ich beginne, eine tiefe, hässliche Quelle der Freude des Jägers zu begreifen: Töten ist ewig. Es hinterlässt ein dauerhaftes Mal.
    *
    Die Party geht weiter bis Mitternacht, dann kommt Ekborg, der letzte noch verbleibende Gast, an die Bar, wo ich sauber mache und Gläser in eine kleine Spülmaschine neben dem Wasserbecken räume. Er hat mich nach der Vorführung des Videos in Ruhe gelassen, vielleicht weil er mir Zeit geben wollte, den ganzen Umfang seines Könnens zu verdauen.
    Er vergeudet keine Zeit. »Sie faszinieren mich, Ms Kasparov.«
    In der Hand halte ich ein fast volles Glas Scotch mit Soda und geschmolzenem Eis, von einem der anderen zurückgelassen. Bevor ich mich bremsen kann, schütte ich ihm den Drink ins Gesicht.
    Ekborg schnappt nach Luft, schüttelt den Kopf, reibt sich mit geballten Fäusten die Augen. Mit einer Serviette trocknet er seine Wangen und tupft die Vorderseite seines Kaschmirpull­overs ab, an dem die Flüssigkeit herunterläuft.
    Er wirft die Serviette auf die Theke, starrt mich einige Sekunden kalt an und schweigt. Ich bin ihm in diesem Augenblick nichts mehr wert, nicht einmal Worte.
    Selbstherrlich schlendert er aus dem Salon.

Kapitel 25
    D ie nächsten paar Tage regnet es – scharfe, feine Tropfen, die die Oberfläche des Meeres wie Millionen kleiner Nadeln durchbohren. Die Scheiben der Galaxy sind so bespritzt und nass, dass man meinen könnte, sie seien teilweise erblindet. Auf der Yacht breitet sich eine Lähmung aus. Unmöglich, dem Wetter so nah zu sein, ohne

Weitere Kostenlose Bücher