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Die Frau die nie fror

Die Frau die nie fror

Titel: Die Frau die nie fror Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Elo
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Teppich stehen Stuhlreihen, die einem bescheidenen Pult und einem Tisch zugewandt sind, der von einer halb heruntergebrannten Kerze verziert wird sowie von einer eingetopften Chrysantheme. Ein paar Tafelbilder mit nicht konfessionsgebundenem gefärbten Glas werden von hinten mit Glühbirnen beleuchtet.
    Ich sinke auf einen Stuhl in der letzten Reihe und murmle: »Scheißdreck.«
    »So etwas sagt man nicht in der Kirche. Manche unter uns beten«, sagt eine Stimme.
    Ich drehe mich um und sehe eine Jugendliche in Gothic-Kluft, die in einer dunklen Ecke sitzt, in einem gemütlichen Lehnstuhl, der wahrscheinlich für ältere und gebrechlichere Leute gedacht ist. Sie trägt ein Nasen-Piercing, einen fetten Silberring, und ihr stacheliges Haar ist von metallisch blauen Strähnen durchzogen. Auf ihrem Schoß liegt ein iPad, fingerlose Handschuhe aus schwarzer Spitze schweben wartend über dem Bildschirm.
    »Echt? Gibt’s ’ne App fürs Beten?«, frage ich.
    Sie sieht mich nachdenklich an. »Nicht, dass ich wüsste. Ich könnte ja mal googeln.«
    »Bitte nicht.«
    Sie schaut mich mit gequälten, schwarz umrandeten Augen und zartem, lilafarbenem Mund an. »Zu Ihrer Info: Ich spiele Angry Birds , wenn ich bete.«
    »Oh. Ist das der Trick? Dann ist’s ja auch kein Wunder, dass ich nie einen Draht zum Beten gekriegt habe.«
    Sie verdreht die Augen gen Himmel. »Es gibt keinen Trick fürs Beten. Jeder macht es, wie er will. Ich spiele Angry Birds , weil ich mich dann besser konzentrieren kann.«
    »Wenn du nicht zwei Dinge gleichzeitig tun würdest, bräuchtest du vielleicht gar keine Krücke.«
    »Sie sind ziemlich feindselig. Man merkt gleich, dass Sie sich mit Technik nicht wohl fühlen.«
    »Blödsinn. Sieh mal, wie schnell ich texte.«
    Ich schnappe mir mein iPhone und tippe. Wo bist du? Eilt. Ruf an.
    Ein paar komatöse Minuten später zwitschert mein Telefon fröhlich.
    Seine Nachricht lautet: Wo bist du?
    Aber das hatte ich doch gefragt. Ich antworte: Du zuerst.
    Nach einer langen Verzögerung bekomme ich seine Antwort: Meine Whng.
    Warum?!
    Komm rüber.
    Verärgert funkle ich den Bildschirm an. Er hatte versprochen, nicht dorthin zu gehen. Er weiß, wie gefährlich das ist. Warum bittet er mich also, zu ihm zu kommen? Irgendwas stimmt da nicht.
    Ich rufe an. Es bimmelt und bimmelt. Irgendwas stimmt da ganz gewaltig nicht.
    Ich texte: Ruf mich an. Ich lege das Telefon auf den Sitz neben mich, als bräuchte es seinen eigenen Platz, um ein Telefon sein zu können. Ich warte, schaue drauf, warte, schaue drauf. Es gibt keinen Ton von sich. Ich kann gar nicht glauben, dass er nicht zurückschreibt. Ich kontrolliere den Bildschirm, gehe zu Benachrichtigungen. Alles funktioniert. »Himmel Herrgott«, sage ich.
    »Das ist zwar ein bisschen besser, aber nicht viel«, meint das Mädchen.
    »Ich kann auf deine Kommentare echt verzichten«, erwidere ich trocken, ohne mich umzudrehen.
    »Und ich kann auf Ihre Respektlosigkeit verzichten.«
    Ich seufze. »Du hast ja recht. Tut mir leid. Ich bin nur ein wenig angespannt.«
    »Warum?«
    Ich werfe einen Blick über die Schulter. » Warum? Hast du mich gerade gefragt, waru m ?«
    »Ist doch keine so seltsame Frage, oder?« Auf ihren Wangenknochen glitzert es silbern.
    »Ich hatte einen harten Tag.«
    »Hier hat man keinen harten Tag, es sei denn, man liegt auf der Intensivstation.«
    »Jepp. Guter Punkt. Hast wieder recht. Übrigens, wie alt bist du eigentlich? Fünfzehn?«
    »Vierzehn.«
    »Mhm, du bist ziemlich weise für jemanden, der gerade den Kinderschuhen entwachsen ist.«
    Sie betrachtet mich mit einem mitleidvollen Befremden. »Sie sollten wirklich mal was gegen Ihre feindselige Einstellung unternehmen.« Dann beugt sie den Kopf wieder über den Bildschirm auf ihrem Schoß.
    Es dämmert mir, dass wahrscheinlich jemand aus ihrer Familie krank ist. »Wie heißt du?«, will ich wissen.
    »Sabrina.«
    »Ich bin Pirio.«
    Was ihr den Hauch eines Lächelns entlockt. »Gefällt mir.«
    »Mir deiner auch.«
    Das Telefon klingelt. Gottlob. Ich nehm’s schnell in die Hand. »Wo bist du?«, frage ich Parnell.
    »Pirio –« Seine Stimme klingt klein und gepresst.
    »Was ist los?«
    Tastengepiepse, statisches Rauschen, dann sein dringlicher Schrei: »Geh nicht hin! Bleib weg!«
    Ein dumpfer Schlag, ein scharfes Stöhnen, mehr statisches Rauschen und Tastengepiepse. Dann gleitet eine heisere Stimme in mein Ohr. »Hallihallo, verrücktes Mädchen. Dein Freund möchte dich sehen, ganz, ganz

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