Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Frau die nie fror

Die Frau die nie fror

Titel: Die Frau die nie fror Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Elo
Vom Netzwerk:
dringend.«
    »Johnny.«
    »Will ihm doch nicht weh tun. Aber du kennst mich ja.«
    Mein Magen krampft sich zusammen. »Wenn ihm irgendwas zustößt, bringe ich dich um, Johnny. Das schwöre ich.«
    »Ich mag dein Temperament, Mädel. Ich hab dich wahnsinnig gern durchgefickt. Weißt du noch?« Er macht eine Pause, ich höre gedämpfte Stimmen, dann ist er wieder in der Leitung. »Ich kann’s kaum erwarten, dich wiederzusehen.«
    Ich bekomme Schweißausbrüche.
    »Was? Kein Interesse? Du findest, du bist dir zu schade für mich, stimmt’s? Zu vornehm, die Dame. Oder vielleicht bist du auch nur alt geworden und hast keinen Mumm mehr. Vielleicht brauchst du ein bisschen mehr Motivation.«
    Einen Moment lang nur Schweigen. Leise Stimmen. Dann, nicht weit vom Telefon entfernt, ein durchdringender, männlicher Schrei. Parnell.
    »Johnny!«, brülle ich ins Telefon.
    »Ja, Liebling?«
    »Ich werde kommen.«
    »Dann beeil dich mal lieber. Wir werden ihn so lange leiden lassen, bis du da bist.«
    »Lass ihn in Ruhe. Ich hab doch gesagt, ich komme, oder?«
    »Das ist mein Mädchen. Geh zum Haupteingang raus und warte neben der Tür. Max wird dich abholen. Ich will, dass du am Telefon bleibst und nett mit mir plauderst, und zwar genau so lange, bis du in sein Auto steigst. Denn ich möchte ja nicht, dass du jemand anderen anrufst. Genau genommen wird es einen liberalen Journalisten weniger auf dieser Welt geben, wenn in der Zwischenzeit auch nur eine einzige Kleinigkeit passiert, die mir nicht gefällt. Ich kenne eine Menge Leute, die mir dafür sehr dankbar wären.«
    »Alles klar, immer locker bleiben. Ich bin unterwegs. Worüber willst du reden?«
    »Warum singst du nicht einfach unsere schöne Nationalhymne? Ich habe das Lied schon immer sehr gemocht.«
    »Witzig. Ich dachte, du wärst mehr so der Allman-Brothers-Typ.«
    »Geh jetzt los und fang an zu singen, Pirio. Scheiß drauf, wenn die Leute dich schräg anglotzen.«
    »Du weißt doch, es ist mir scheißegal, was die Leute denken.«
    »Dann lass hören.«
    »O! say can you see …«
    Ich sehe zu Sabrina rüber. Sie starrt mich mit großen, ängstlichen Augen an. Sie sitzt nahe genug, um Parnells Schrei gehört zu haben. Und mit Sicherheit hat sie meinen Teil der Unterhaltung mitbekommen.
    »By the dawn’s early light …«
    Ich halte meine Faust einige Zentimeter unter mein Kinn und starre sie eindringlich an.
    Sie kapiert es nicht, will etwas sagen.
    Ich presse meinen Zeigefinger fest auf die Lippen.
    »What so proudly we hailed …«
    »Was?« Sie bewegtstumm die Lippen und schüttelt leicht den Kopf.
    Ich versuche es erneut mit meiner Faust vor dem Mund.
    Sie kapiert’s immer noch nicht.
    Ich zeige auf mein Telefon, zupfe mir auf dramatische Art und Weise am Ohr, balle wieder eine Faust, halte sie an meine Lippen und singe: » At the twilight’s last gleaming …« in meinen eingerollten Daumen.
    Sabrinas Augen leuchten auf. Der Groschen ist gefallen.
    Ich winke sie zu mir.
    »Whose broad stripes and bright stars …«
    Sie verlässt ihren Stuhl und gleitet neben mich. Holt das Icon mit dem Mikro auf den Bildschirm, drückt auf Aufnahme und hält das Tablet ruhig auf ihrem Schoß.
    »Ich müsste doch eigentlich andere Leute hören. Es ist zu still bei dir«, sagt Johnny.
    »Ich bin in einem ruhigen Teil des Krankenhauses. Dem Keller. Ich suche die Treppe.«
    »Dann sing weiter.«
    »Welche Zeile kommt jetzt noch mal?«
    »Fang von vorne an.«
    Ich drücke auf Lautsprecher » O! say can you see …«
    »Was ist das? Es klingt wie Lautsprecher.«
    »Ist es nicht. Ich bin im Treppenhaus. Das ist das Echo.«
    »Sing weiter.«
    »By the dawn’s early light … what so proudly set sail … Moment. Das ist nicht die richtige Zeile. Was hab ich davor gesagt? Weißt du das zufälligerweise noch, Johnny?«
    »Ist doch egal. Rede irgendwas. Sag das Scheißalphabet auf.«
    »Nein, ich will die Nationalhymne singen. Wo’s doch dein Lieblingslied ist und alles. Und ich mag sie übrigens auch.«
    »Das ist doch alles nur Scheiße, Pirio. Willst du ihn schreien hören?«
    »Nein! Ich singe jetzt ›Star-Spangled Banner‹, genau wie du’s mir gesagt hast. Aber ich verstehe nicht, wieso wir nicht mal einen Moment lang ehrlich zueinander sein können. Ich meine, hey, wir kennen uns, Johnny. Warum müssen wir diese billige Katz-und-Maus-Nummer abziehen, wenn wir doch beide ganz genau wissen, wie der Hase läuft? Ich weiß zum Beispiel, dass Hall und seine Jungs mich in

Weitere Kostenlose Bücher