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Die Frau die nie fror

Die Frau die nie fror

Titel: Die Frau die nie fror Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Elo
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faul ist, aber das schreckt sie nicht ab. Im Gegenteil, es scheint mich nur interessanter zu machen. Aber sie bittet mich nicht ins Haus, sondern bleibt auf dem kleinen Treppenabsatz stehen, einen Arm hinter der halb offenen Tür, um sie mir im Notfall vor der Nase zuknallen zu können.
    »Sind Sie eine Kollegin?«
    »Nein. Wir … ähem, sind nur mit unseren Hunden zusammen um den Pond spaziert. Sie und Jasper, ich und mein Bernhardiner Arnold. Sechs Uhr, jeden Abend nach der Arbeit. Wir haben uns wirklich angefreundet. Ich denke, es ist einfach nur schwer für mich, nicht zu wissen, was mit ihr passiert ist. Ich weiß nur, was ich in der Todesanzeige in der Zeitung gelesen hab. Und ich würde wirklich gern wissen, was aus Jasper geworden ist.«
    Die Miene der Frau ist freundlicher geworden. »Dann wird’s Sie freuen zu hören, dass Jasper jetzt bei Libbys Sohn und seiner Familie drüben in West Roxbury ist. Da hat Jasper ein wirklich schönes neues Zuhause. Libby wäre sehr glücklich.
    Wissen Sie, es war Jasper, der in der Nacht angeschlagen hat. Er hat gebellt … oh, was hat er gebellt! Man hätte meinen können, das Ende der Welt sei nahe. Ich hab angenommen, Libby würde sich um ihn kümmern. Also habe ich mir Watte in die Ohren gesteckt und bin wieder schlafen gegangen. Das war um drei Uhr morgens. Aber Jasper hat immer noch gebellt, als ich am nächsten Morgen aufgestanden bin, also habe ich bei Libby an die Tür geklopft. Als sie mir nicht aufgemacht hat, bin ich mit dem Schlüssel rein, den sie mir gegeben hatte – wir haben vor ein paar Jahren Schlüssel getauscht, falls wir uns mal ausschließen sollten. Jasper war ganz aus dem Häuschen und ist überall herumgeflitzt. Er war schon ganz heiser vom vielen Bellen. Libby war nicht da, also habe ich die Polizei angerufen. Ich wusste nicht, was ich sonst tun sollte. Sie sind dann vorbeigekommen, haben sich in der Wohnung umgesehen, aber hatten nicht viel zu sagen. Ein paar Stunden später klingelt’s an der Tür, und es sind wieder die Bullen. Sagten, auf dem Jamaicaway hätte es einen Unfall mit Fahrerflucht gegeben, am frühen Morgen, und ich solle mit ins Leichenschauhaus kommen, um vielleicht die Leiche zu identifizieren. Und sie war’s dann auch tatsächlich. Ich konnte es zuerst gar nicht glauben. Es war so traurig, sie so zu sehen, unter einem Laken, das Gesicht ganz weiß. Dass ihr mal so was zustoßen würde – wer hätte das gedacht?«
    »Ich frage mich, warum sie mitten in der Nacht das Haus verlassen hat.«
    »Demenz. Das haben sie zumindest gesagt.«
    »Als Sie in ihrer Wohnung waren, ist da irgendetwas anders gewesen?«
    »Sah alles aus wie immer.«
    »Haben Sie irgendetwas gehört, bevor Jasper zu bellen angefangen hat? Oder ist Ihnen etwas aufgefallen?«
    »Ich habe tief geschlafen, bis der Hund mich geweckt hat.«
    »Vielleicht ein Auto vor dem Haus?«
    »Hab nicht nachgesehen. Kam mir gar nicht in den Sinn. Warum? Meinen Sie, irgendwer hat sie abgeholt?«
    »Ich bin nicht sicher. Kommt mir nur seltsam vor, dass sie um diese Uhrzeit alleine weggegangen ist, ohne Jasper mitzunehmen.«
    »Nun, man sagt ja, so was passiert, wenn man dement wird.«
    »Na ja, danke jedenfalls für Ihre Zeit, Mrs –«
    »Ramirez. Und Sie?«
    »Catherine. Catherine Johnson.« Es wäre nicht gut, wenn jemand erführe, dass ich hier gewesen bin.
    »Kein Problem. Es ist ein Jammer, wenn solche Sachen passieren. Erschüttert jeden.« Sie will die Tür schließen, und besinnt sich dann eines Besseren. »Tut mir leid, dass Sie eine Freundin verloren haben.«
    »Danke. Eine Sache noch. Dürfte ich vielleicht kurz in ihre Wohnung?«
    »Wieso?«
    »Sie hatte etwas von mir …«
    Mrs Ramirez schüttelt bereits den Kopf mit dem roten Tuch. »Auf keinen Fall. Nur die Familie. Wenn Sie wollen, können Sie mir Ihre Nummer hierlassen, und die gebe ich dann ihrem Sohn, wenn er vorbeikommt.«
    »Ist schon okay. Danke trotzdem.«
    Niedergeschlagen verlasse ich das Haus. Am westlichen Abendhimmel geht die Sonne großartig orangerot unter, und die Schatten der hohen Häuser verschmelzen auf der Straße. Vielleicht ist es am Ende doch besser, zur Polizei zu gehen und alles zu erzählen, was ich weiß. Aber der vernünftigere Teil meines Verstandes sagt mir, dass ich dann in einen komplizierten bürokratischen Schla­massel gezogen werde, der mich nur jede Menge Zeit kosten würde. Johnny wäre weiterhin auf freiem Fuß und Noah in Gefahr. Nein, ich muss mir etwas anderes

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