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Die Frau die nie fror

Die Frau die nie fror

Titel: Die Frau die nie fror Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Elo
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Speerwerfer und blutige Kadaver sehen. Wenn du ihn bei YouTube einstellst, wäre er der Hit. Aber ein paar Zeilen, vergraben irgendwo im Innenteil einer Zeitung, die werden keinen Unterschied machen. Besonders nicht, wenn Lady Gaga gerade in der Stadt ist.«
    »Spielt alles keine Rolle«, sage ich mit sinkendem Mut. »Die Einheimischen wissen davon.«
    Er stößt ein Lachen aus. »Die Inuit? Glaubst du, die brauchen kein Geld?«
    Ich versuche, meine Handgelenke auseinanderzuziehen. Wie erwartet, ohne Erfolg. »Also worauf wartest du noch? Warum bringst du’s nicht endlich hinter dich?« Wenn Johnny die Tür der Gefrierkammer öffnet, um mich hineinzustecken, wird ein Schwall frischen Sauerstoffs auch Parnell erreichen. Ein Lichtblick, der mich trotzdem nicht sonderlich hoffnungsfroh stimmt.
    »Weißt du, was ich an euch Liberalen überhaupt nicht leiden kann?«, fragt er mich mit provozierender Lässigkeit.
    »Dann schieß mal los.« Ich habe den Eindruck, dass er auf diesen Moment gewartet hat – auf den Augenblick, an dem er mir sagen kann, wie falsch ich bei allem liege und schon immer lag. Den Augenblick, in dem er versucht, sein eigenes, klassenbewusstes Herz zu heilen, das sich mehr von mir sitzengelassen fühlt, als ich dachte. Er wird mir eine ausgeklügelte Selbstrechtfertigung in Form eines gönnerhaften Vortrags servieren.
    »Du regst dich bei den falschen Sachen auf. Ein paar Typen haben ein bisschen Spaß auf ihrer Yacht, und du zickst rum, als sei das Ende der Welt nahe. Rettet die Wale, bla, bla, bla. Löwen, Tiger und Bären, ach du liebe Güte. Aber die Wale sterben nicht aus. Es gibt da oben Tausende von den Viechern. Die verstecken sich und verfeinern ihre Überlebensstrategien. Gleichzeitig kriegst du überhaupt nicht mit, was tagein, tagaus vor deinen Au­gen passiert.«
    Pflichtgemäß schaue ich mich um. »Vermutlich nicht.«
    Er lehnt sich vor und senkt seinen Kopf wie ein Bulle kurz vor dem Angriff. »Was glaubst du, wo du hier bist?«
    »Auf einem großen kommerziellen Fangschiff.«
    »Wie groß?«
    »Weiß ich nicht.«
    »So groß wie ein Frachter?«
    »Sicher. Wenn du’s sagst.«
    »Wie viele Kilo Fisch, glaubst du, kann ein solches Teil lagern?«
    »Keine Ahnung, Johnny. Sag du’s mir.«
    »Ich weiß es auch nicht. Das ist der Punkt. Keiner weiß es, und keinen interessiert’s.« Er grinst hämisch. »Momentan sind fünfundvierzigtausend von diesen Babys auf den Weltmeeren unterwegs. Ein Prozent der Fischereiflotte der Welt beschäftigt zwei Prozent aller Fischer dieser Welt und holt damit fünfzig Prozent des weltweiten Fischfangs raus. Die Regierung hat all diese Regularien für das Fischen in nationalen Hoheitsgewässern aufgestellt – man musste ja die kostbaren Grundfische schützen, denen es eigentlich ganz gut ging. Und was haben wir Fischer dann gemacht? Wir begeben uns auf Offshorefang, wo es keine Gesetze gibt und massenhaft Fisch. Wir haben Netze, die sind so groß, du würdest es kaum glauben. Stahlkabel ziehen massive Metallplatten. Wir machen so viel Geld, dass wir es gar nicht schnell genug zählen können. Es hat eigentlich kaum noch etwas mit dem traditionellen Fischen zu tun, sondern erinnert eher an den Bergbau.«
    »Du klingst aber selbst auch ziemlich liberal, Johnny. Hast du Gewissensbisse?«
    »Ich will damit nur sagen, dass du nichts davon aufhalten kannst. Weder du noch dein Journalist. Niemand. Der Mensch ist zum Jagen geboren, und zum Fischen, und auch dazu, so reich wie möglich zu werden. Ein kleines Schlupfloch in den Regulierungen reicht aus, damit der ganze Kram ins Wanken gerät. Setz der einen Sache ein Ende, und garantiert findet jemand anders irgendwo auf der Welt einen Weg, noch viel mehr Geld zu scheffeln, indem er was anderes macht. Wo ein Wille ist, da ist auch ein Weg – wahrere Worte wurden nie gesprochen.« Er lehnt sich zurück und faltet die Hände hinter dem Kopf, äußerst zufrieden mit dem immerwährenden Einfallsreichtum des Menschen.
    »Na und?«, sage ich. Wahrscheinlich kann ich ihn nur mit Gleichgültigkeit so richtig auf die Palme bringen. Ich spanne meine Handgelenke gegen die Handschellen. Wie viel Zeit bleibt Parnell noch?
    »Ihr habt gedacht, ihr wäret einer richtig heißen Sache auf der Spur, stimmt’s? Ihr habt gedacht, ihr würdet ganz groß rauskommen. Du und dein Journalist, der noch nicht einmal einen beschissenen Kuli halten kann. Und was habt ihr am Ende, ­Pirio? Ein paar Minuten Videomaterial, ein paar

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