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Die Frau die nie fror

Die Frau die nie fror

Titel: Die Frau die nie fror Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Elo
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mich der Haustür nähere, höre ich, wie ein Streit zwischen Brüdern im Gange ist. Der Spott des Stärkeren und das herzergreifende Gejammer des Schwächeren. Durch ein offenes Fenster kann ich sogar den Oyster Man hören, der geduldig und vernünftig auf seine Söhne einredet, wie ein der Entspannungspolitik verpflichteter Vorstadt-Kofi-Annan, und dabei ähnlich erfolgreich ist. Man sagt ja, der Welt­frieden beginnt zu Hause. Falls das so ist, haben wir alle ein ziemliches Problem. Ich rechne fast damit, dass ein Stuhl durchs Fenster geflogen kommt. Einer der süßen lieben Kleinen öffnet mir die Tür, noch bevor ich den Klingelknopf drücke – er muss mich kommen gesehen haben. Er klimpert mich mit seinen fast wimpernlosen Augenlidern an und brüllt dann wie eine aufgeregte Ziege » MAAAA !« den Flur hinunter.
    Johnnys Frau kommt zur Tür geschlurft. Sie ist eine müde Blondine mit schwarzem Haaransatz in einem fleckigen Baumwoll-T-Shirt, unter dem sie offenbar keinen Büstenhalter trägt. Ich bin überrascht, dass ich die kurze irrationale Schrecksekunde durchlebe, die typisch ist für ein Zusammentreffen mit der Geliebten eines Ex-Liebhabers. Als sollte es sie eigentlich gar nicht geben. Aber da steht sie – die Frau, deren Lippen John ­Osters Mund geküsst haben und deren Schoß ihm vier Söhne geboren hat. Möglicherweise nimmt sie diese Schwingung auf, denn sie scheint mich nicht besonders zu mögen.
    Johnny erscheint hinter ihr, in einem Flur, der vollgestopft ist mit Sporttaschen, Skateboards und Baseballschlägern. Er ­begleitet mich zu einer Tür auf der Rückseite des Hauses. Die Jungs schauen uns hinterher, zerstreuen sich wie eine Horde frecher Terrier. Wir werden von dem Tumult erlöst, der nach der Schule und vor dem Essen herrscht, als wir eine ruhige Garage betreten, die zur Hälfte Johnnys Leidenschaft gewidmet ist, aktuell anscheinend Vogelhäuser. Ein unvollendetes Vogelhaus steht auf einer Werkbank, und von den Balken hängen un­zäh­lige fertiggestellte große und kleine Vogelhäuser. Eines sieht aus wie eine Kirche, eines ist dem Taj Mahal nachempfunden. Häuser für Vögel, die Single sind, Häuser für Vogel-Großfamilien. In liebevoller Handarbeit aus verschiedenen Hölzern hergestellt – Pinie, Kirsche, Teak –, manche phantasievoll bemalt, andere nicht.
    Vogelhäuser? Auf die Idee wäre ich nie gekommen. Es ist seltsam anrührend zu sehen, wie Johnnys etwas wunderlicher, zwanghafter Wesenszug so harmlos kanalisiert wird, wo er nun ein angesehener Bürger und Familienvater ist.
    »Was ist los?« Er sitzt auf einem hohen Hocker an seiner Werkbank, mustert mich, aber lässt nicht zu, dass sein Blick irgendwo hängenbleibt.
    »Ich habe mit Captain Cavalieri von der Küstenwache gesprochen.«
    »Beschissenes Arschloch.«
    »Stimmt. Er sagt, in der Nähe der Molly Jones hätten sich am 7. September drei Frachter aufgehalten, aber es gibt keine Hinweise darauf, dass sie etwas mit der Kollision zu tun hätten. Die Namen wollte er mir nicht nennen.«
    Johnny lächelt mich mit einem Rest Zuneigung abschätzend an. »Also willst du sie selbst finden.«
    »Natürlich. Cavalieri hat aufgegeben. Er hat den Fall an die National Transportation Safety Board abgeschoben. Was nach einer Menge Bürokratie klingt. Er meint, es könnte ein Jahr dauern.«
    »Ich weiß nicht, was ich dir anderes sagen soll, als dass du Geduld haben musst. Nicht besonders einfach für dich, wenn ich mich recht erinnere.«
    »Für dich genauso wenig.«
    »Da irrst du dich.« Er zeigt mit einer Handbewegung auf die vollgestopften Regale. »Diese Vogelhäuser. Die bringen mir Geduld bei. Ich habe gelernt zu warten.«
    Ich setze mich auf eine Bank und lehne mich gegen eine angestrichene Betonwand. Überall liegen gewellte Holzspäne, die einen süßlichen, aufreizenden Duft verströmen. »Die Leute müssen doch über die Kollision gesprochen haben. Fischer, wer auch immer. Du musst doch etwas gehört haben.«
    »Das Einzige, worüber die Leute geredet haben, warst du. Frau wirft sich von Bord eines sinkenden Schiffs und schwimmt länger im Atlantik, als menschenmöglich ist. Diese Story hat mit Sicherheit ihre Runde durch die Kneipen gemacht. Noch so eine Geschichte vom Meer wie Der Sturm , an der sich Amerika ergötzen kann. Wir warten schon aufs Buch und den Film.«
    »Ned war der eigentliche Held.« Ich stehe unter dem Zwang, es gegenüber jedem zu wiederholen, der mir zuhört. Ich komme nicht über die Tatsache

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