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Die Frau die nie fror

Die Frau die nie fror

Titel: Die Frau die nie fror Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Elo
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weg, dass Ned, der mir das Leben gerettet hat, zu einer Fußnote wird, während ich, die ich nichts getan habe, zum Stoff werde, aus dem Legenden sind.
    Johnnys kräftige, klobige Hände haben begonnen, einen winzigen Vogelhaus-Schornstein für ein winziges Vogelhausdach zusammenzubauen. Er hat sein Gesicht leicht von mir abgewandt, um darauf zu achten, was er tut, aber auch, vermute ich, um uns Raum zu lassen. »Die verdammten Finger tun nicht immer das, was ich will. Es ist frustrierend. Teil meines Körpers, aber ich schwöre, sie haben ihren eigenen Kopf.«
    »Komm. Sag schon, Johnny. Wenn jemand in der Stadt etwas weiß, dann du.«
    Er gluckst geschmeichelt und versucht erfolglos, den Schornstein zum Stehen zu bringen. »Ich bin dir weit voraus, Schätzchen. Ned war mein Kumpel, weißt du noch? Glaubst du, ich lasse ihn so sterben und sehe mir die Sache nicht an? Ich habe meine eigenen Ermittlungen angestellt. Hab mit jedem geredet, der etwas wissen könnte, und noch ein Dutzend weitere angesprochen, nur zur Sicherheit. Hab mir sogar die Mühe gemacht, das Ganze mit diesem Arschloch von Cavalieri zu bereden, der mich behandelt hat wie den letzten Dreck, was mir von vorn­herein klar war. Die Küstenwache hasst Fischer, falls du es nicht wissen solltest. Was glaubst du, habe ich nach all dem herausgefunden? Hä?« Er wendet sich mir zu. Sein Gesicht ist leer wie ein unbeschriebenes Blatt Papier. »Die verdammte Chose war nichts anderes als Fahrerflucht. Das ist alles. Nur ein schlimmer, traurig bizarrer Unfall, mit einem Schuldigen, der so schnell verschwunden ist, wie er konnte. Wir können suchen, so viel wir wollen, aber wir werden ihn nicht finden. Tut mir leid. So sieht die Welt auf hoher See aus, Süße. Eine Menge Luft, in die man sich auflösen kann. Deswegen fühlt sich ja jeder, der Scheiße baut, so dort hingezogen.«
    In meinem Brustkorb ist ein Druck, als würde jemand darauf stehen.
    Er lächelt mich schief an. »Ich weiß, dass du das nicht hören willst. Aber Fahrerflucht ist die Antwort, mit der wir beide im Moment leben müssen. Mein Rat ist, lass die Bullen alle Zeit verschwenden, die sie wollen.« Er dreht sich zurück zu seiner Werkbank und greift nach einem winzigen Schnitzmesser. »Und übrigens, du tust dir keinen Gefallen damit, wenn du anfängst rumzufragen.«
    »Also sind sie da draußen, wer immer es gewesen ist –«
    »Ja, sicher. Sie müssen ja irgendwo da draußen sein, oder?«
    »Wie kann denn jemand mit so was ungeschoren davonkommen?«
    »Ganz einfach. Falls am Rumpf Farbe abgeplatzt ist, übermalen sie es sofort. Das VMS -Signal gibt nur jede Stunde die Position durch. Solange sie also ganz grob an der Stelle waren, wo sie sein sollten, als das Signal gesendet wurde, sind sie auf der sicheren Seite. Und das VMS -System hat praktischerweise häufig Störungen. Es tut mir ja sehr leid, dich darüber ins Bild zu setzen, aber so was passiert. Niemand will Ärger bekommen. Schlechte Presse für die Firma, Versicherungsansprüche. Der Kapitän verliert seinen Job. Wenn’s irgend geht, wird er’s vertuschen und auch noch denken, er hätte was Gutes getan.«
    »Was ist mit der Besatzung?«
    »Dasselbe. Warum sollte sie das kümmern? Wenn sie etwas sagen, lässt man sie nur fallen. Die meisten von ihnen werden nichts gegen ein Bestechungsgeld einzuwenden haben, wenn sie eines angeboten bekommen, und dem Rest ist es scheißegal. Vergiss nicht, die Mehrzahl der Schiffe ist aus dem Ausland. Kennst du die Gesetze, die wir hier haben?«
    »Du meinst, in Amerika?«
    »Nein, ich meine an Land .«
    »Mhm-hm.«
    »Tja, diese Gesetze gelten auf dem Meer nicht. Das da draußen ist eine völlig andere Welt. Wie im Wilden Westen, bevor es Sheriffs gab.« Er hält inne und sieht mich sorgenvoll an. »Mit dir alles in Ordnung?«
    »Glaub schon.« Ich denke an Noah. Seine vertrauensvollen Augen, den Walknochen in seiner Tasche. Wie soll ich ihm erklären, dass die bösen Jungs davongekommen sind?
    »Was war mit diesem Typen, mit dem du dich unterhalten hast? Dem im Pub«, fragt Johnny. Er flitscht mit seinem fleischigen Daumen über das Schnitzmesser, um die Schärfe zu prüfen.
    »Oh, der. Den kannte ich nicht. Ist einfach aufgetaucht.«
    »Weißt du noch, wie er heißt?«
    »Larry, glaube ich. Nachname beginnt mit einem W.«
    »Was wollte er?«
    »Er hat ein paar Fragen über den Unfall gestellt. Wollte wissen, ob ich das Schiff identifizieren konnte und warum Ned bei Ocean Catch aufgehört

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