Die Frau die nie fror
hat.«
»Hast du ihm irgendetwas erzählt?«
»Ich hab gesagt, Ned hätte die Trawler der großen Firmen sattgehabt und hätte seinen eigenen kleinen Laden aufmachen wollen. Das ist, was er mir selbst gesagt hat.«
»Hat er dir sonst noch was erzählt?«
»Keine Ahnung. Was meinst du?«
»Zum Beispiel, warum er Ocean Catch satthatte.«
»Nein. Ich nehme an, er wollte einfach mal was anderes machen.«
»Jepp. So war’s.« Johnny beginnt mit dem Messer an einem Stock zu schnitzen. »Was ist mit Thomasina? Hat Ned viel mit ihr über seine Arbeit gesprochen?«
»Ich glaube nicht. Zumindest hat sie mir nie irgendwas davon erzählt.«
Johnny nickt langsam und beugt sich über seine Arbeit. Ein Schnitz mit dem Messer, und ein Span löst sich ab, der weichen, weißen Zellstoff freilegt.
Ich betrachte ein Vogelhaus über seinem Arbeitsplatz. Ein kleiner, bogenförmiger Eingang öffnet sich in ein luftiges Wohnzimmer. Es gibt auch ein weiteres Stockwerk – mit winziger, abgeschrägter Decke. Vielleicht eine Einliegerwohnung. Ich stutze und schaue näher hin. Jemand hat einen geflochtenen Teppich auf den Boden gemalt. Eine feine, mühselige Arbeit, die mit dem kleinsten Pinsel der Welt ausgeführt worden sein muss. Ich bekomme langsam ein ungutes Gefühl. Der Verstand, der das hervorgebracht hat, kann nicht ganz gesund sein.
»Du musst viel Zeit aufwenden für diese Häuser. Wann baust du sie?«, frage ich.
»Ich stehe morgens um vier auf. Kann nicht so besonders schlafen.«
»Oh, wirklich? Ist ja witzig, ich war heute Morgen auch um vier wach. Bei mir ist es Stress. Und bei dir?« Ich bin nicht sicher, ob ich überhaupt so persönlich werden will, aber ich bin neugierig. Zwischen dem Johnny, den ich kannte, und dem, mit dem ich jetzt rede, besteht eine seltsame Diskrepanz. Angefangen damit, dass dem Johnny, den ich kannte, der Begriff Fahrerflucht nicht so locker über die Lippen gekommen wäre.
»Vielleicht ist es das. Keine Ahnung.« Er reckt die Brust und lässt die Schultern kreisen, um die Verspannungen zu lösen. Dann drückt er etwas Klebstoff aus einer winzigen Tube auf einen Q-tip und betrachtet den Tropfen im Licht. »Man darf nicht zu viel davon nehmen. Er verschmiert, und dann muss man ihn wieder abkratzen.«
Aus dem Haus ertönt Gebrüll. Gestampfe. Eine Tür knallt zu. »Weißt du, es gibt Augenblicke, da könnte ich diese kleinen Dreckskerle einfach umbringen. Solche Gefühle darf man nicht gegenüber seinen Kindern haben, aber manchmal will ich einfach nur abhauen. Wie bin ich überhaupt hierhergekommen? Verheiratet, vier Kinder. Nichts als Rechnungen, überall, wo ich hingreife. Manchmal hab ich das Gefühl, ich bin total am Arsch.« Er legt den Q-tip vorsichtig auf ein Stück Zeitungspapier und schraubt den Deckel der Tube zu. »Dieser Typ aus dem Pub, der hat mir nicht gefallen. Tut so, als wäre er mit Ned befreundet gewesen. Gib mir Bescheid, falls er dich anruft.«
»Warum, was hast du vor?«
»Nichts, mein Schatz. Absolut gar nichts.«
Jetzt werde ich erst mal gründlich taxiert. Sein Blick gleitet langsam über meinen Körper, von unten bis zu meinem Gesicht. »Du siehst übrigens super aus. Wie schon immer.« Seine Stimme wird weicher und tiefer. »Die Kids nehmen meine Frau momentan voll in Beschlag. Ich habe viel Freiheiten und viel Zeit für mich. Ich könnte dich mal auf meinem Boot mit rausnehmen.«
»Ich bin nicht mehr sonderlich scharf auf Boote.«
Er blinzelt träge, ist nicht sicher, wie er das interpretieren soll. Lehne ich das Angebot ab, oder ist einfach nur etwas anderes nötig, um mich rumzukriegen? »Wie wär’s dann mit einem Bier? Sag nicht sofort nein, denk erst mal drüber nach. Du kommst mir einsam vor, Pirio. Warst schon immer eine Einzelgängerin, ein bisschen kompliziert. Ich bin nie schlau aus dir geworden. Aber ich weiß, dass du wahrscheinlich leidest, und ich möchte immer für dich da sein, mein Schäfchen.«
Das Kosewort ist in dreierlei Hinsicht abstoßend. Erstens, weil es ein Kosewort ist. Zweitens, weil seine Frau im Haus ist und gerade hungrige Mäuler stopft und klebrige Finger abwischt. Drittens, weil mich Johnny vor langer Zeit immer Ziege genannt hat und ich ihn Affe . Diese Ausdrücke entbehrten nicht einer gewissen Klugheit. Aber ein Schäfchen war ich noch nie.
»Das freundliche Angebot lehne ich ab, Pavian.«
Er nickt, als hätte er nichts anderes erwartet.
Ich trete durch das offene Garagentor auf die glatte, geteerte Einfahrt
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