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Die Frau die nie fror

Die Frau die nie fror

Titel: Die Frau die nie fror Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Elo
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lang, mit einem Fassungsvermögen von über vierhundertfünfzig Tonnen. Ist eines der wenigen Langleinen-Gefrier-Fangschiffe, die’s gibt. Die meisten großen kommerziellen Fangschiffe mit Heimathafen Boston sind Trawler.«
    »Meine Viertklässler hätten jetzt mal rein gar nichts von dem verstanden, was Sie gerade gesagt haben.«
    »Ein Langleinen-Fangschiff arbeitet mit Köderhaken, die an Leinen befestigt sind. Deshalb nennt man sie … Okay, ich sehe, Sie verstehen schon. Die Haken werden automatisch mit Ködern bestückt, insgesamt Tausende pro Tag. Ein Trawler zieht ein großes Schleppnetz hinter sich her und holt den Fang über die Heckaufschleppe ein. Sehen Sie, dieses Schiff hat am Achterschiff keine Rampe, es holt den Fang über die Seite ein. Da drüben.« Er zeigt auf die ausgeschnittene Stelle auf der Steuerbordseite.
    »Gibt’s wohl irgendeine Möglichkeit, dass ich mal an Bord kann?«
    »Nein. Das würde der Eigentümer nicht erlauben. Ich würde Ihnen empfehlen, runter zum Fischpier zu gehen, wenn Sie an Bord eines Fangschiffes wollen. Irgendwer wird Sie schon an Bord lassen, sag ich mal einfach so. Solange sich die Kinder anständig benehmen.«
    »Engel, alle zweiundzwanzig.« Ich mache eine Pause. »Wieso liegt dieses Schiff überhaupt im Trockendock?«
    »Riss im Schiffsrumpf.«
    »Oh, wirklich? Wie … passiert denn so etwas?«
    »Könnte alles Mögliche gewesen sein.«
    »Was denn zum Beispiel?«
    Er wird ein wenig misstrauisch. »Eine Kollision, auf Grund gelaufen, zu schnell durchs Eis gefahren. Manchmal taucht so ein Riss auch von alleine auf. Wegen Alter oder Materialschwäche. Ein Spannungsriss. Schwer zu sagen. Wie auch immer, jetzt ist alles repariert. Bald geht’s wieder zur See.«
    Ich gehe zum Bug, lege den Kopf in den Nacken und blicke nach oben. »Wo war der Riss denn?«
    Er rührt sich nicht vom Fleck. »Warum wollen Sie das wissen?«
    »Reine Neugier. Von einer Reparatur sieht man aber nichts.«
    »Es wurde ja auch neu gestrichen.«
    »Ach? Bevor Sie es gestrichen haben – ich meine, als es reingekommen ist, da haben Sie nicht zufällig Farbabplatzungen rund um den Riss bemerkt, oder?«
    »Nein. Da war keine Farbe abgeplatzt«, antwortet er steif. Er wird sich hüten, eine solche Frage zu beantworten.
    »Muss schwer festzustellen sein.«
    Jetzt starrt er mich wütend an. Jegliche Freundlichkeit ist gewichen.
    »Ein schönes Rot«, fahre ich fort. »Hat einen Braunstich, wie Lehm. Welche Farbe hatte es vorher?«
    »Genau die.«
    »Rot? Ist das nicht ungewöhnlich?« Inzwischen glaube ich nicht mehr, dass die Molly Jones von diesem Schiff gerammt wurde. Es ist zu klein, und es hat die falsche Farbe. Aber ich will noch ein paar Fragen stellen, nur um sicherzugehen.
    »Rot ist die sicherste Farbe auf dem Meer. Am besten zu sehen. Viele Leute sind der Ansicht, alle Schiffe sollten rot oder orange angestrichen sein.«
    »Die Farbabplatzer wären weiß gewesen«, sage ich und lasse die Worte beiläufig klingen, beobachte jedoch aufmerksam, ob in seinen Augen so etwas wie eine Bestätigung aufflackert.
    Er baut sich breitbeinig vor mir auf und stemmt die Hände in die Hüften. Er hat beschlossen, mich nicht zu mögen. »Hören Sie, ich weiß nicht, warum Sie nicht einfach herkommen und offen heraus sagen können, wer Sie sind. Ist ja nicht so, als wüsste ich nicht, was Sie machen. Ihr Typen seid doch ständig hier und kriecht überall herum. Aber die anderen lügen mich wenigstens nicht an.«
    Ich begreife nicht direkt, worauf er hinauswill, und frage ­etwas dämlich: »Was glauben Sie denn, was ich mache?«
    »Sie sind eine Schadensachbearbeiterin, Schadensermittlerin oder wie man das heute nennt. Immer auf der Suche nach einem Grund, nicht bezahlen zu müssen. Wenn ihr jemandem Fahrlässigkeit oder irgendeine strafbare Handlung nachweisen könnt, dann seid ihr fein raus. Verdammt noch mal!« Er klingt zornig, aber in seinen Augen schimmert auch eine gewisse Genugtuung darüber, mich durchschaut zu haben.
    »Stimmt.« Ich habe keinen Grund, ihn zu korrigieren.
    »Ich hab nichts mehr zur Sea Wolf zu sagen«, fährt er mit fester Stimme fort. »Ich mache nur Reparaturen. Wenn Sie wissen wollen, was passiert ist, fragen Sie den Besitzer. Das ist allein seine Sache, nicht meine.« Er dreht sich um und verschwindet mit großen Schritten Richtung Büro.
    Ich schaue ihm nach, doch dann fällt mir noch etwas ein, und ich laufe ihm hinterher. »Warten Sie bitte kurz. Sie haben gesagt, ich

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