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Die Frau die nie fror

Die Frau die nie fror

Titel: Die Frau die nie fror Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Elo
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schlagartig, die blauen Augen verwandeln sich in Stahl. »Glaubst du, deine Mutter war treu, Pirio? Glaubst du, sie war mir treu?«
    Ich spüre, wie mein Mund zuckt. »Warum sollte sie einem Zuhälter treu sein?«
    Er schlägt mit der Faust auf den Tisch. »Wie kannst du es wagen, so mit mir zu reden? Du konntest zur Schule gehen, hattest alle Annehmlichkeiten, alles, was man mit Geld kaufen kann. Du redest über Maureen, dabei bist du hier diejenige, die etwas hat, das du dir nicht selbst verdient hast. Und trotzdem verhöhnst du mich , der Tag und Nacht wie ein Tier geschuftet hat, um deine Mutter zu dem zu machen, was sie war. Der nur ihr zuliebe die Firma aufgebaut hat, die sie zu einer glücklichen Frau werden ließ. Du solltest dich schämen, so mit mir zu reden!« Er schlägt wieder auf den Tisch, diesmal mit der flachen Hand.
    Ich blinzle ein paarmal kurz. Aber ich gebe keinen Millimeter nach. »Du streitest es also nicht ab. Dass du Zuhälter warst. Der Zuhälter meiner Mutter.«
    Er drückt die Zigarre im Aschenbecher aus. Wut verwandelt seine Worte in ein zischendes Stakkato. »Du weißt gar nichts über mein Leben in Moskau und davor. Selbst wenn du es ver­su­chen würdest, könntest du es dir nicht vorstellen. Was weißt du über Geschichte, über die russische Geschichte? Ihr Amerikaner lest was über euren Bürgerkrieg, und das war’s. Und über euren glorreichen Sieg im Zweiten Weltkrieg. Ihr seid einge­bildet und selbstgefällig, nur weil ihr viel Glück habt und blöd seid.«
    »Du gibst immer Stalin an allem die Schuld. Und wenn das nicht funktioniert, greifst du auf Lenin zurück. Dann schneller Vorlauf zu Gorbatschow, Jelzin und Putin. Du richtest den Finger auf jeden, nur nie auf dich selbst. Und zu deiner Erinnerung, ich habe russische Geschichte studiert. Russische Literatur übrigens auch.«
    »Ach ja«, sagt er mit einem gewissen Sarkasmus. »Dein Pasternak, dein Puschkin. Alles nur romantisches Geschwafel. Du und ich, wir beide werden uns nie wirklich verstehen. Pah .« Er spuckt aus.
    Mir bleibt die Luft weg, aber ich versuche, mir nichts anmerken zu lassen. Ich hätte niemals die russische Literatur erwähnen dürfen. Damit habe ich viel zu viel von meiner Seele preisgegeben und lasse ihn auch noch darauf herumtanzen.
    Milosa und ich starren uns an, ohne uns die Mühe zu machen, nach passenden Worten zu suchen.
    Die Ehe meiner Eltern gründete auf Sticheleien und Spott. Sie konnten genauso wenig zusammenleben wie ein Affe und eine Hyäne. Aber sie konnten auch nicht ohne einander sein. Streiten war das, was ich vorgelebt bekommen habe, was ich gelernt habe und was ich jetzt selbst tue, zumindest mit Milosa. Manchmal denke ich, es ist einfach unsere Art zu lieben, dass mir etwas fehlen würde, wenn plötzlich einer von uns zu nett würde. Aber ich wünsche mir auch, das alles wäre anders.
    Milosa nimmt seine Zigarre aus dem Aschenbecher, steckt sie wieder an, pafft ein paar Züge und lehnt sich in seinem Sessel zurück. »Maureen hat für diese Firma hart gearbeitet und sich viele Male bewährt. Es ist nicht richtig, dass sie Angst haben muss vor dir und vor dem, was du tun könntest … später mal.«
    »Wovor sie Angst hat, ist ganz allein ihre Sache. Und du kannst von mir nicht erwarten, dass ich Zusagen mache, nur um deine Schuldgefühle zu beruhigen.«
    Er presst die Lippen aufeinander, macht dabei die Wangen hohl. Sein schütter werdendes Haar, die hohe Stirn, die blasse Haut – plötzlich erkenne ich die Konturen des Schädels hinter seinem Gesicht. »Du hast zum Teil recht mit dem, was du sagst, Pirio. Maureen hat weder das Talent noch die Visionen deiner Mutter. Ich habe sie aus einer Schwäche heraus geheiratet, weil ich sie brauchte. Aber du schwingst diese eine Wahrheit wie ein schweres Schwert und machst dabei andere, bescheidenere Wahrheiten nieder, nimmst dir noch nicht einmal die Zeit, sie wahrzunehmen. Ich bitte dich aus tiefstem Herzen, Maureen den Respekt zu erweisen, den sie sich verdient hat. Sie hat Inessa Mark ihr Leben gewidmet, und auch mir. Setze sie nicht auf die Straße, wenn –«
    Er hält abrupt inne. Wir schauen einander in die hitzigen Augen.
    Ich bin ziemlich sicher, dass er ein wenn ich nicht mehr da bin nachschieben wollte.
    Ein paar fassungslose, ungläubige Augenblicke verstreichen.
    Vorwurfsvoll, aber auch liebevoll frage ich: »Stirbst du?«
    Er wendet sich leicht ab, eine fast weibliche Geste. »Natürlich nicht. Ich bin hoffentlich

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