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Die Frau die nie fror

Die Frau die nie fror

Titel: Die Frau die nie fror Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Elo
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Leitung eines amerikanischen Staatsbürgers stehen. Damit soll verhindert werden, dass Ausländer amerikanische Schiffe kaufen und anschließend in unseren Gewässern fischen.«
    »Soga?«, wiederhole ich, um es auch ja nicht zu vergessen.
    Ein Schatten fällt über mich, und ein schwerer Arm legt sich auf meinen Rücken. » Hier bist du. Tim, meine Freundin hast du ja schon kennengelernt. Sie ist ein echter Schatz, stimmt’s?«
    Mit einem Achselzucken lasse ich Johnnys Arm von meiner Schulter gleiten. »Was machst du denn hier?«
    »Was machst du denn hier? Das ist ja wohl schon lange nicht mehr deine Gegend, oder?«
    »Ich hab den Laden vermisst. Gibt’s daran irgendwas auszusetzen? Und ich hatte Lust auf ein Bier.«
    »Ach ja? Wie’s aussieht, hattest du schon ein paar.« Johnny und Tim wechseln einen Blick. Tim rutscht von seinem Hocker und verschwindet, ohne sich zu verabschieden. Ron verschwindet ebenfalls. Möglicherweise denken sie wirklich, ich wäre Johnnys Freundin.
    »Vielleicht hast du ja mich gesucht?«, sagt er und schenkt mir ein seltenes, verhaltenes Lächeln.
    »Samstags gehen Paare doch immer zusammen aus. Wo ist deine Frau?«
    Er beugt sich zu nah zu mir. Ich kann seinen Atem riechen, die Poren seiner Haut auf der Nase und die rosafarbenen Stoppeln über der Oberlippe sehen. Ich fühle mich dermaßen unwohl, dass ich nicht mal höre, was er mir ins Ohr raunt.
    Offensichtlich ist es höchste Zeit für Leute wie mich, sich auf den Heimweg zu machen. Ich rutsche von dem Barhocker. Der Boden ist näher, als ich dachte. Johnny packt meinen Arm, verhindert, dass ich falle.
    »Hey, vorsichtig. Setz dich mal noch einen Moment hin«, sagt er und führt mich zu einem Tisch. »Du hast dich mit Tim gut unterhalten, ja? Worüber habt ihr denn gesprochen?«
    »Alles Mögliche. Schwimmen, Autos, den fetten Arsch seiner Ex.«
    Johnnys Gesicht ist ausdruckslos. Er versucht, mich einzuschätzen.
    Dann habe ich einen Einfall: Ich werde die traumatisierte Betrunkene spielen. So schwer kann es nicht sein, zumal ich ­einen guten Teil der Strecke schon zurückgelegt habe. Ich lasse in einem ungeordneten Wortschwall meinen Gefühlen freien Lauf. Der Unfall, die Flashbacks, die Alpträume. Warum ist es passiert? Warum hat man die Dreckskerle noch nicht erwischt? Und welcher Idiot kommt auf die Idee, beschissene Rettungsinseln herzustellen, die sich dann nicht aufblasen? Meine Stimme hebt sich vor lauter Empörung und bricht an den passenden Stellen. Ich heule beinahe. Normalerweise reicht eine Vorstellung wie diese, um Typen wie Johnny in die Flucht zu schlagen. Aber er bleibt, mustert mich genauer, als er eigentlich sollte, ohne allzu viel Mitgefühl.
    Ich bestelle noch einen Whiskey und noch eine Flasche Bier. Das Whiskeyglas leere ich in einem einzigen Zug und knalle es auf den Tisch. »Mein Vater hat immer zu mir gesagt – er ist ein Dreckskerl, falls du das noch nicht weißt – er hat immer gesagt … Steig wieder in den Sattel, Mädchen! Das ist die einzige Möglichkeit, die Angst zu kurieren, nachdem ein Pferd dich abgeworfen hat. Wenn du nicht sofort wieder in den Sattel steigst, bist du für alle Zeiten pferdescheu! Das hat er immer gesagt.«
    Johnny blinzelt. Das ist genau der Macho-Unsinn, den er auch glaubt. »Soll das heißen, du willst wieder auf Fischfang ­gehen?«
    »Klar. Ich muss frei sein, oder?« Meine Hand legt sich etwas unbeholfen um die Bierflasche.
    Er nimmt sie mir mit sanfter Gewalt aus den Fingern. »Komm, ich bring dich nach Hause. Du solltest nicht mehr fahren.«
    An diesem Punkt bin ich ziemlich sicher, ihn überzeugt zu haben, dass ich emotional am Ende bin. Dass ich hierhergekommen bin, um mich wie in der guten alten Zeit volllaufen zu lassen. Und dann habe ich aus einem neurotischen Überlebenden-Impuls heraus zufällig Tim ein Ohr abgekaut. Ich rülpse als Zugabe.
    »Nee, lass mal, Johnny. Ich nehm ein Taxi.«
    »In der Gegend hier bekommst du kein Taxi. Ich werde dich fahren«, wiederholt er.
    »Also, aber mit rein kommst du nicht!«, verkünde ich.
    »Wenigstens nicht heute Abend.«
    »Nie, Johnny. Du bist ein verheirateter Mann. Vier Kinder. Scheiße auch. Du solltest dich echt schämen!«
    Die Autofahrt verläuft ruhig. Vor meiner Wohnung hält er am Bordstein. Ich fummle mit der Tür herum, und er greift über meinen Schoß hinweg, um mir zu helfen. Doch bevor er sie öffnet, lässt er mich das Gewicht seines Oberkörpers spüren, sein großes, kantiges Gesicht ist direkt

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