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Die Frau die nie fror

Die Frau die nie fror

Titel: Die Frau die nie fror Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Elo
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vor meinem.
    »Bleib von jetzt an in deinem Teil der Stadt, Pirio. Ich möchte nicht, dass dir etwas zustößt.«
    »Warum sollte mir was zustoßen, Johnny?«, frage ich schleppend.
    »Geh jetzt nach Hause. Geh ins Bett.«
    *
    Soga Fisheries hat keine eigene Homepage, dafür finde ich aber im Netz zwei Zeitungsartikel. Der eine berichtet, dass Soga Fisheries – zusätzlich zum weltweiten Ankauf von Fisch im Wert von mehreren Millionen Dollar, der zum Weiterverkauf an ja­pa­nische Einzelhändler gedacht ist – eine eigene Fischereiflotte von sechs Fischereifahrzeugen unterhält. Letzten Sommer wurde eines davon in einem fünfundzwanzig Meilen großen Hoki-Brutgebiet an der Westküste der Südinsel Neuseelands bei der Grundschleppnetzfischerei erwischt. Das Unternehmen büßte das zwei Komma vier Millionen teure Schiff namens Soga Maru No. 8 und ­einen Fang im Wert von fünfundachtzigtausend ­Dollar ein. Der andere Artikel handelt ­davon, dass die Firma ein weiteres Schiff verloren hat, die Soga Maru No. 1 , als es vor der Nordküste Russlands kenterte. Zwölf der sechsunddreißig Besatzungsmitglieder starben, und die japanische Küstenwache warf Soga mangelhafte Sicherheitsmaßnahmen vor.
    Okay, Soga Fisheries hält sich nicht an die Regeln. Interessant, aber nicht weiter ungewöhnlich.
    Ich kehre zum Anfang des Artikels zurück, und mir fällt auf, dass Soga Fisheries gleich im allerersten Satz als ein Tochterunternehmen der Jaeger Gruppe bezeichnet wird.
    Die Website der Jaeger Gruppe legt dar, dass der Mischkonzern aus vierzig internationalen Unternehmen besteht, in den Branchen Immobilien, Produktion und Fischfang. Der Konzern hat Büros in New York, London, Moskau und Tokio. Die Homepage ist auf Hochglanz poliert und ausgefeilt, bietet automatisch wechselnde Bilderserien mit Aufnahmen von atemberaubenden Wäldern, Meeren und Skylines. Die verschiedenen Welten von Jaeger sind vor wolkenlosem Himmel in sauberen Sonnenschein getaucht. Ich klicke mich durch und entdecke, dass es relativ wenige Seiten gibt. Die Informationen sind dürftig, und die Texte größtenteils Selbstbeweihräucherung. Die ­Jaeger Gruppe unterstützt finanziell ein Stipendienprogramm für junge Naturwissenschaftler und hat sich bürgerschaft­lichem Engagement und sozialer Verantwortung verschrieben. Das Engagement für eine nachhaltige globale Ökologie wird wiederholt unterstrichen.
    Mit Kopfschmerzen, wie es sich für einen echten Whiskey-und-Bier-Kater gehört, und ohne Antworten sinke ich ins Bett.
    *
    Es ist Sonntag und eine Sonderausstellung, daher ist das Museum of Fine Arts überfüllt. Zufällig habe ich den besten Platz in einer kleinen Gruppe von Betrachtern ergattert, die sich vor dem Selbstporträt von Henri de Toulouse-Lautrec drängt, übermütig, rätselhaft, selbstzufrieden. Eine Frau mit einer großen Handtasche rempelt mich an. Anscheinend ist sie der Meinung, ich hätte das Selbstporträt des Künstlers jetzt lange genug ­betrachtet.
    Während ich mich außer Reichweite der Handtasche dieser Frau begebe, lasse ich den Blick über die Menge wandern. Zwischen den Besuchern sehe ich den grauen Kopf der eher kleinen Mrs Smith auf und ab hüpfen. Sie bestand darauf, dass wir uns hier treffen, als ich sie heute Morgen anrief. Sie sieht mich und winkt. Diesmal trägt sie einen fröhlichen lila Trenchcoat. Ihren Stoffbeutel aus Segeltuch schmückt ein stilisiertes Katzengesicht, darunter die Worte »Marsch für Tiere«.
    »Gehen wir an einen ruhigeren Ort«, schlage ich vor.
    Ich lotse sie aus dem überfüllten Saal, durch den Souvenir­laden, einen langen Korridor mit europäischer Kunst des neunzehnten und zwanzigsten Jahrhunderts hinunter. Im letzten Saal finden wir eine mit getuftetem Samt gepolsterte Bank vor dem gewaltigen Gemälde D’où Venons Nous/Que Sommes Nous/Où Allons Nous von Paul Gauguin.
    »Was wissen Sie über Soga Fisheries?«, frage ich.
    »Soga Fisheries? Das ist der beste Kunde von Ocean Catch. Sie kaufen etwa fünfundsiebzig Prozent des gesamten Fangs.«
    »Gibt es irgendeinen Grund, warum sie einen ihrer Mitarbeiter auf einem Schiff von Ocean Catch mitfahren lassen?«
    »Ich wüsste nicht, warum. Sie sind Großhändler. Sie kaufen bei uns und anderen amerikanischen Firmen, um dann an japanische Einzelhändler weiterzuverkaufen.«
    »Eine ganz schön weite Anreise, nur für Fisch.«
    »Der Markt ist heute global. Die Großhändler gehen heutzutage dorthin, wo sie den besten Preis bekommen. Und

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