Die Frau die nie fror
die Nachfrage nach Flunder und Heilbutt aus dem Nordatlantik ist groß. «
»Sie müssen also einen guten Preis von Ocean Catch bekommen.«
»Ich bin nicht sicher, was sie bekommen. Das hängt von den Tageskursen ab. Aber ich bin sicher, dass sie ganz gut dabei wegkommen. Dustin ist ausgesprochen loyal gegenüber Soga. Wenn sie nicht gewesen wären, dann hätten wir große Probleme gehabt, den Kopf über Wasser zu halten, als vor ein paar Jahren die neue Fischereiordnung in Kraft trat.«
»Ich habe gehört, dass ein Fischwirt von Soga an Bord der Sea Wolf war.«
»Hm, kann mir nicht vorstellen, warum …«
»Was ist mit der Jaeger Gruppe? Wissen Sie etwas über die?«
»Jaeger Gruppe … Jaeger Gruppe … Ich glaube nicht, nein. Ach, außer, Sie meinen Bob Jaeger? Er hat Dustin früher gelegentlich angerufen. Ich sollte immer direkt durchstellen, wenn er anrief. Ich bin ihm nie persönlich begegnet, aber Dustin ist mehrere Male nach New York gefahren, um sich mit ihm zu treffen.«
»Wissen Sie, worum es ging?«
»Dustin hat immer so getan, als seien sie eng befreundet.«
»Wirklich?« Der miesepetrige Dustin Hall kommt mir nicht wie jemand vor, der in gesellschaftlicher Hinsicht gut zu Milliardären passt.
Ich nehme mein Mobiltelefon heraus. »Geben Sie mir bitte eine Minute, Mrs Smith. Ich möchte nur kurz Bob Jaeger nachsehen.« Während ich im Internet suche, steht Mrs Smith auf und schlendert zu dem Gauguin hinüber. Dicht vor der äußersten rechten Seite des Gemäldes bleibt sie stehen und lässt ihren Blick aufmerksam die Leinwand hinauf- und hinunterwandern. Dabei kneift sie die Augen zusammen, als versuche sie, vertikal geschriebene Hieroglyphen zu entziffern.
Es gibt eine Menge Einträge zu Bob Jaeger. Ich klicke den ersten Link an – ein Artikel in einem Golfmagazin. Anscheinend haben Jaeger und sein Golf-Partner im diesjährigen Pebble Beach National Pro-Am Turnier den ersten Platz erreicht. Einem aufmerksamen Golf-Offiziellen war jedoch aufgefallen, dass Jaeger ein deutlich überhöhtes Handicap eingereicht hatte, was ihm einen unangemessenen Vorteil verschaffte, also wurde ihm der Titel wieder aberkannt.
Der nächste Link führt zu einer Boulevard-Zeitung. Schlagzeile: »Märchen-Aus für Milliardär und seine Braut-Prinzessin«. Wie sich herausstellt, wurde bei Jaegers Frau Schizophrenie diagnostiziert, nachdem sie ihr gemeinsames Haus in Brand gesetzt hatte. Sie wurde in eine psychiatrische Klinik überwiesen, wo sie unter strenger Aufsicht lebt.
Der ganze Rest sieht nach langweiligem Wirtschaftszeugs aus. Ich stecke mein Telefon wieder ein. Mrs Smith hat es unterdessen auf die linke Seite des Gauguin geschafft. Sie betrachtet das Bild andächtig und aufmerksam und reißt sich schließlich los, um sich wieder zu mir auf die Bank zu setzen.
»Ich hoffe, Dustin hat mit Jaeger kein Golf gespielt«, sage ich.
»Wirklich? Warum?«
»Er schummelt. Mrs Smith, denken Sie bitte nach. Was können Sie mir sonst noch über ihn erzählen?«
Sie runzelt die Stirn. »Mal sehen. Äh, nein … tut mir leid. Wenn mir noch etwas einfällt, melde ich mich bei Ihnen.«
»Mich interessiert, wohin die Sea Wolf gefahren ist. Das muss man doch irgendwie herausfinden können.«
»Nun, Dustin oder Lou oder eines der anderen Besatzungsmitglieder können Sie ja wohl nicht fragen. Die einzige andere Möglichkeit ist das Logbuch des Schiffs.«
»Wo finde ich das?« Noch während ich die Frage stelle, schwindet meine Zuversicht. Falls Berichte über die Reisen der Sea Wolf existieren, werden sie vermutlich nicht sehr präzise sein.
»In Fred Jacobsens Büro. Er ist der zuständige Einsatzleiter. Zweite Etage, direkt neben Dustin. In der Ecke steht ein Aktenschrank. Ich habe darin früher die Logbücher entsprechend dem jeweiligen Schiff abgelegt.«
»Gibt es die Bücher nicht elektronisch?«
»Oh nein. Logbücher werden immer handschriftlich an Bord des Schiffs geführt. Ich weiß, es klingt altmodisch, aber die Fischerei ist nun mal eine der Tradition verpflichtete Branche. Die einzigen Veränderungen, die Fischer mögen, fallen in die Bereiche Sicherheit oder Produktivität.«
»Was macht Fred Jacobsen damit?«
»Wenn er überhaupt je einen Blick hineinwirft, wäre ich überrascht. Die Logbücher sind nur fürs Archiv. Aber sie sind quasi auch Herz und Seele der Firma. Die Geschichte jeder Fahrt, für die Nachwelt aufbewahrt.«
Mrs Smith und ich verlassen die Abteilung für europäische Kunst
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