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Die Frau die nie fror

Die Frau die nie fror

Titel: Die Frau die nie fror Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Elo
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ein Bier vom Fass. Schließlich registriert mich einer der beiden Jungs, und sobald wir anfangen, uns zu unterhalten, taxiert mich auch der andere und klinkt sich in die Unterhaltung ein. Wie sich herausstellt, arbeitet der eine, ein gewisser Ron, auf dem Bau, und der Zweite, Tim, bei Ocean Catch. Es dauert nicht lange, bis die zwei dahinterkommen, dass sie neben dem Schwimmer sitzen. Was sie ein bisschen munter werden lässt. Sie schieben sich dichter an mich heran, sympathisch aufgeregt, und brennen darauf, mir ihre eigenen Wundergeschichten zu erzählen. Allerdings geben sie bereitwillig zu, dass sie mit meiner nicht mithalten können. Zwischen den beiden Gentlemen entwickelt sich ein gutmütiges Kräftemessen. Sie suchen in meinem Gesicht nach Beifall und erröten fast, als sie ihn auch bekommen. Whiskey und Bier werden immer zügig nachgeschenkt – für mich alles kostenlos –, und schon bald beginnt der abgetakelte Pub irgendwie zu funkeln und zu strahlen.
    Nach etwa einer Stunde, als wir drei längst die dicksten Freunde und angenehm betrunken sind, wende ich mich an Tim und sage beiläufig: »Ich war neulich unten am Trockendock. Hab eins von euren Schiffen mit einem Riss im Rumpf gesehen. Also, das muss doch echt unheimlich sein, oder? Du bist mitten auf dem Meer und zack, der Rumpf bekommt einen Riss. Was macht man da?«
    »Ach, war gar nicht so schlimm, wie’s sich anhört. Ein Belastungsriss, mehr nicht. Wir sind rechtzeitig in den Hafen eingelaufen.«
    »Du warst auf dem Schiff?«, sage ich ungläubig. »Auf der Sea Wol f ?«
    »Ja, klar. War eine irre Tour.«
    »Das glaub ich gern. Wo wart ihr denn?«
    »Ach, nirgendwo besonders. Derselbe Dreh. Aber auf der Fahrt war was los, das kann ich dir sagen, so was hab ich noch nie gesehen. Der Käpt’n und der Fischmeister sind um ein Haar aneinandergeraten. Ich schwör’s, ich hab gedacht, Lou Diggens wirft den kleinen Japsen über Bord. Lou ist ein verdammt guter Kapitän, aber er ist auch ein Hitzkopf. Gar nicht gut, wenn man sich bei Lou unbeliebt macht. Zum Glück hat der Japse den Schwanz eingezogen. Sonst hätte es für ihn nur noch Sayonara geheißen.«
    »Kein Scheiß«, sagt der Bauarbeiter und nickt ernst. Er will wissen, worüber sie gestritten haben.
    Zufällig drehe ich mich ein wenig auf meinem Barhocker – ich bin mehr oder weniger nüchtern. Eher weniger. Ein junger magerer Typ steht im Schatten neben der Tür des Pubs. Er hat strähniges, dunkelblondes Haar und sein Gesicht die Form eines Biberschwanzes. Er zuckt andauernd, auf eine eigenartige, ungesunde Art. Noch verstörender aber ist das Gefühl, dass seine tiefschwarzen Augen – nur Pupillen, keine Iris – gerade ein Loch in meinen Rücken gebohrt haben. Mit ein paar Sekunden Verzögerung schlüpft er so schnell durch die Tür hinaus, dass ich mich schon wieder frage, ob er wirklich da war.
    »Hey, Ron, Tim. Habt ihr den Kerl gesehen? Der gerade eben ziemlich überstürzt gegangen ist?«
    »Nee«, meint Ron und dreht sich nicht mal um.
    »Wer? Welcher Kerl denn?«, sagt Tim mit einem Blick über die Schulter.
    »Vergiss es. Erzähl weiter.«
    »Tja, der Riss im Rumpf. Daher kam er«, erklärt Tim. »Der Fischwirt bestand auf volle Fahrt. Käpt’n Lou hat das zu Anfang noch mitgemacht, aber als dann die Eisschollen auftauchten, war Schluss. Der Japse sagt, volle Kraft voraus. Lou sagt nein. Und dann haben wir eine Eisscholle voll gerammt, die unter der Oberfläche schwamm, und Käpt’n Lou hätte den Wurm fast über Bord geworfen. Ich habe mitbekommen, wie Lou später zu Dustin Hall gegangen ist. Eher würde er kündigen, als dass er noch einmal mit einem dummen Dreckskerl von Soga zusammenarbeitet.«
    Ron fragt, was ein Fischwirt ist.
    »Er leitet alles, was mit dem Fischen zu tun hat. In welche Fanggründe gefahren wird, wo die Haken oder Netze ausgebracht werden, wie lange man in einer Gegend bleibt. Die Leitung über das Schiff selbst hat er aber nicht. Das ist allein Aufgabe des Kapitäns, und der Kapitän ist der wichtigste Mann auf See. Immer. Niemand widersetzt sich dem Kapitän.«
    »Und warum hat der Typ sich so aufgeführt?«, frage ich.
    Tim nimmt einen kräftigen Schluck von seinem Bier. »Was glaubst du? Er wollte einen größeren Fang einholen. Alles andere geht ihm am Arsch vorbei. Diese Typen dürfen eigentlich nicht mal bei uns an Bord mitfahren. Es gibt ein Gesetz, das besagt, kommerzielle amerikanische Fischereischiffe müssen zu jeder Zeit unter der

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