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Die Frau die nie fror

Die Frau die nie fror

Titel: Die Frau die nie fror Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Elo
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mache mich über den Schokodonut her.
    Dr. Gaslaterne schenkt mir sein lauwarmes Lächeln. »Bei der ärztlichen Untersuchung waren Sie völlig normal, genau wie Ihre Laborwerte. Sie sind bei bester Gesundheit, Ms Kasparov. Nichts scheint ungewöhnlich zu sein. Trotzdem haben Sie sich in einer Lage, die für Sie hätte tödlich sein können, selbst gewärmt. Wir wüssten gern mehr darüber, wie Sie das gemacht haben.«
    »Auch der psychologische Aspekt muss untersucht werden«, versichert Commander Stockwell trocken, es klingt wie ein Zugeständnis.
    Flanagan nutzt die Gelegenheit, um sich einzuklinken. »Es könnte Persönlichkeitsmerkmale geben, die einen Beitrag zu Ihrer Widerstandsfähigkeit leisten. Selbst Einstellungen und Überzeugungen können eine Rolle spielen. Mit weiteren Tests könnten wir ein genaueres Profil erstellen.« Sie lächelt, ist wild entschlossen, Vertrauen aufzubauen. »Die Selbstkenntnis könnte auch für Sie von großem Wert sein.«
    Die Schokolade ist ein wenig trocken und krümelig, also probiere ich den mit Gelee. Die Leute in diesem Raum lächeln viel zu viel.
    Die Augen der Psychologin laufen förmlich über vor Verständnis. »Das alles muss im Moment für Sie ein bisschen viel zu verarbeiten sein.« Mit ihren runden überfließenden Augen und einem Busen groß wie ein Airbag erinnert sie mich an den Empathen aus Raumschiff Enterprise .
    »Ja, ist es.« Tatsächlich geistern mir Echos der Worte, die ich gerade gehört habe, durch den Kopf. Schlittenhunde. Biomarker. Ermüdungsfreie Soldaten. Science-Fiction. Ich fand’s besser, ein Wunder der Natur zu sein als ein Versuchsobjekt. Ein Wunder ist erstaunlich und groß, ein Versuchsobjekt aber ist klein und hirnlos. Es wird mit dem falschen Ende spitzer Gerätschaften wie Pinzette, Mikroskop und Kugelschreiber gepiesackt.
    »Wir würden uns sehr freuen, wenn Sie noch einen weiteren Tag mit uns zusammenarbeiten würden«, sagt Commander Stockwell.
    Flanagan schenkt mir ein bittendes Lächeln. »Unsere Reihe psychologischer Tests ist ziemlich ausgeklügelt. Sie könnten uns über mentale Überlebenskünstler-Merkmale Aufschluss geben, die anders nicht gefunden werden können.«
    »Sorry. Ich mache keine psychologischen Tests.«
    »Wirklich? Gar keine?« Sie schenkt mir ein kleines, bedauerndes Lächeln, das Beste-Freundin-Status verspricht, wenn ich mitmache.
    »Nie im Leben.«
    Flanagan ist bestürzt und kann ihren durchblitzenden Zorn nicht verbergen. »Darf ich fragen, warum?«
    Ich presse die Lippen aufeinander, um nicht etwas zu sagen, was ich besser nicht sagen sollte. Vor meinem inneren Auge sehe ich einen dicken fetten Aktenordner mit meinem Namen auf Dickhead Bates’ Schreibtisch. Das Ding ist voller Tests, Berichte, Noten und Analysen des Psychiaters aus dem Kinderkrankenhaus, dem psychologischen Dienst und dem Therapeuten von Gaston. Hunderte Seiten Pseudowissenschaft, um zu begründen, warum man ein Mädchen vierundzwanzig Stunden am Stück in einem Zimmer, nicht viel größer als ein begehbarer Schrank, einsperrt. Eine brillante, freundliche, notwendige, hieb- und stichfeste Diagnose, die am Ende einfach nur dazu führte, einem unschuldigen, aufgewühlten Kind nicht zu glauben oder ihm das nicht zu geben, was es am meisten brauchte: den Vertrauensbonus.
    »Das ist privat«, erkläre ich Trudy Flanagan.
    Flanagan beginnt, unbeholfen in ihren Unterlagen zu kramen. Commander Stockwell runzelt die Stirn.
    Also wende ich mich an sie. »Sie haben meine DNA , meine Computertomogramme, die Bilder aus der Kernspin-Röhre und jede Menge Körperflüssigkeiten. Ich bin für Sie in kaltem Wasser geschwommen. Ich denke, das reicht.«
    Stockwell betrachtet mich geduldig. Sie ist zufrieden mit den Ergebnissen des Tages und muss im Augenblick nicht auf noch mehr drängen. »Möglicherweise überlegen Sie es sich ja noch einmal anders, wenn Sie Zeit hatten, sich alles gründlich durch den Kopf gehen zu lassen. Ihr Land ist Ihnen für Ihre Dienste sehr dankbar, Ms Kasparov.«
    Sie schiebt mir einen Umschlag zu. Darin befinden sich ein Honorar in Höhe von fünfhundert Dollar sowie eine Freikarte für Ripley’s Believe It or Not! -Museum.
    »Vielleicht nehmen die mich da auf«, sage ich.
    *
    Vor meinem Flug habe ich ein paar Stunden totzuschlagen, also besuche ich das Museum. Ein großes gebundenes Kompendium von Ob-du’s-glaubst-oder-nicht-Fakten erregt im Museumsshop meine Aufmerksamkeit. Ich kaufe es für Noah und lese es im Flieger

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