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Die Frau die nie fror

Die Frau die nie fror

Titel: Die Frau die nie fror Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Elo
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sie nun leicht und behutsam.
    Der scharfe Klang einer Frauenstimme ertönt, allerdings mit einem vornehmen indischen Tonfall. »Kann ich Ihnen helfen, Sir?«
    Ich habe keine Ahnung, woher sie gekommen ist, bin mir aber ziemlich sicher, dass es nicht die junge Frau ist, die sich in diesem Moment höchstwahrscheinlich am Ende des Korridors lustvoll befriedigen lässt.
    Eine Männerstimme antwortet – eine amerikanische Stimme, leise, gedämpft. Die beiden unterhalten sich kurz. Ich kann nicht verstehen, was sie sagen. Er scheint irgendetwas zu erklären. Sie lacht freundlich. Ein klimperndes Geräusch folgt. Das Schloss klickt metallisch. Sie hat einen Schlüsselsatz und ist im Begriff, Jacobsens Tür zu öffnen.
    Unter den Schreibtisch kann ich nicht, das ist zu auffällig. Ich rase durch den Raum und schaffe es, mich hinter den Sessel zu quetschen. Die Frau findet den richtigen Schlüssel und dreht ihn im Schloss. Ich bin in der Hocke, als die Tür aufgeht. Stille, als sie eintreten. Der Mann bedankt sich bei ihr, sagt, norma­lerweise hätte er seinen Schlüssel immer bei sich. Er – Jacobsen? – scherzt, dass er wohl vergessen habe, das Licht auszuschal­ten. Die Frau fragt, ob das Büro denn trotzdem noch gereinigt ­werden solle. Er verneint, das werde nicht nötig sein, und sie geht. Wer zum Teufel geht um diese nachtschlafende Zeit ins Büro?
    Als ich hinter dem Sessel hervorluge, sehe ich nicht den Mann von dem Angelfoto vor mir, sondern vielmehr den Mann, der Larry Wozniaks Identität gestohlen hat. Ich kenne seinen rich­tigen Namen nicht, also muss ich vorerst mit dem geborgten Namen vorliebnehmen. Er sitzt vor Jacobsens Computer, und würde er aufblicken, könnte er mich sehen, aber er ist viel zu sehr damit beschäftigt, mit einer Hand seinen Speicherstick in den USB -Anschluss zu stecken. Er hat das Haar zu einem lächer­lichen Pferdeschwanz gebunden; die Gläser seiner Brille blitzen im grellen Schein des Computermonitors. Als der Download fertig ist, steht er auf und schiebt den Speicherstick in die Tasche seiner Jeans. Die Schiffs-Logbücher liegen auf dem Schreibtisch an der Stelle, wo ich sie zurückgelassen habe, eine Reihe uninteressanter Aktenhefter. Er rührt sie nicht an. Er hält sich auch nicht mit dem Aktenschrank auf, untersucht nicht den tragbaren Kasten auf dem Boden. Eine Sekunde später ist er aus der Tür, lässt sie angelehnt.
    Ich krieche hinter meinem Sessel hervor. An der Tür bleibe ich stehen, lausche. Am Ende des Korridors findet eine Dreierkonferenz statt. Dem zivilisierten Klang nach würde ich sagen, das Liebespaar war wieder bekleidet und ordnungsgemäß mit Staubwischen beschäftigt, als die Frau mit den Schlüsseln eintraf. Von Wozniak höre ich keinen Laut. Ich sehe hinaus. Der Korridor ist leer. Wahrscheinlich habe ich nur ein paar Sekunden Zeit, bevor die Aufsichtsperson zurückkehrt. Ich sollte einen Satz ins Treppenhaus machen, bin aber ziemlich sicher, dass Wozniak noch auf dieser Etage ist, und ich möchte wissen, was er im Schilde führt.
    Mit leisem Schritt gehe ich zu Dustin Halls Tür und berühre den Knauf. Verrückt, er fühlt sich warm an. Und die Tür gibt nach. Behutsam drücke ich sie ein paar Zentimeter auf, bis ich eine Ecke von Halls Schreibtisch sehe, die von einer Lampe beleuchtet wird. Ich wage es nicht, die Tür noch weiter zu öffnen, weil ich befürchte, Wozniaks Aufmerksamkeit zu erregen, falls er dort ist. Aber ich weiß, dass er da ist. Und ich kann gar nicht anders. Ich drücke die Tür noch ein wenig weiter auf, und ich sehe den Ärmel seiner braunen Lederjacke, der auf dem glänzenden Mahagoni liegt.
    Ich gehe denselben Weg zum Treppenhaus zurück, den ich gekommen bin, und renne drei Etagen nach unten. Als ich die Tür zum Keller öffne, falle ich einer jungen, dunkelhäutigen Frau praktisch in die Arme, die einen großen Karton trägt, auf dem mehrere Rollen Toilettenpapier gestapelt sind. Ihre Überraschung schlägt schnell in Misstrauen um. Sie ist nicht sicher, wer ich bin; sie weiß nur, dass ich nicht hier sein sollte.
    »Guten Abend, Miss. Ich komme von der Zentrale. Man hat mich hergeschickt, um die Arbeit Ihrer Kolonne zu kontrollieren. Ich muss schon sagen, ich bin beeindruckt. Sehr, sehr beeindruckt. Die Teppichböden sind sauber, weit und breit kein Stäubchen. Leere Papierkörbe, makellose Toiletten. Mit Ihrem hohen Standard an Professionalität machen Sie der Bay State Cleaning Company alle Ehre. Ich kann Ihnen

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