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Die Frau die nie fror

Die Frau die nie fror

Titel: Die Frau die nie fror Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Elo
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selbst. Tanzende Ameisen, ohnmächtig werdende Katzen, ein blinder Fotograf, der Preise gewinnt. Selt­sames Tun , denke ich, ist auf dem Planeten Erde ja an der Tagesordnung.

Kapitel 17
    E s ist kurz nach zwei Uhr morgens. Grelles Flutlicht fällt auf den Transporter der Bay State Cleaning Company, der neben dem Eingang zur Verarbeitungsanlage und zur Firmen­zentrale von Ocean Catch parkt. Zwei weitere Autos stehen in der Nähe des Transporters – ein alter Corolla und ein Chevy Impala, der aussieht, als hätte er bereits vor Jahren verschrottet werden sollen. Da das Meer nur wenige Blocks entfernt ist, hängt ein scharfer Salzgeschmack in der Luft, dazu der giftige Geruch von aufgebrochenem Asphalt und Schlaglöchern.
    Um mögliche Überwachungskameras zu meiden, habe ich meinen Wagen ein paar Blocks östlich stehengelassen und bin einer schmalen, ausgefahrenen Anliegerstraße, parallel zur Hauptstraße, gefolgt. Die Tür, von der Mrs Smith gesprochen hat, ist genau vor mir, ein paar Betonstufen hinunter, beleuchtet von einer einzelnen nackten Glühbirne. Sie steht etwa dreißig Zentimeter weit auf, wahrscheinlich blockiert sie unten ­irgendetwas. Fünf, zehn Minuten lang halte ich mich im Schatten und beobachte die Tür. Niemand geht hinein, niemand kommt heraus. Ich ziehe meine Wollmütze tiefer ins Gesicht und beeile mich, ins Gebäudeinnere zu kommen.
    Ein Lagerraum im Keller. Leer, hell, nur ein sauberer, grau­gestrichener Fußboden und kalte, trockene Luft. Durch eine Tür an der gegenüberliegenden Wand gelange ich auf einen Flur, der erst vor kurzem mit Ammoniak gereinigt worden ist. Auf der einen Seite befindet sich eine geschlossene Metalltür, am anderen Ende eine Tür mit einem roten Ausgang-Zeichen darüber. Sie führt in ein Treppenhaus.
    Auf dem ersten Absatz bleibe ich stehen und lausche. Das hohe Jaulen eines Staubsaugers dringt an meine Ohren. Ich gehe weiter hinauf, vorbei am ersten Stock und verharre vor der Tür zur zweiten Etage, in der sich die Verwaltungsbüros befinden. Alles ist ruhig, also schleiche ich mich auf den mit Teppichboden ausgelegten Flur. Der Fahrstuhl ist direkt vor mir. Zu meiner Linken sind vier Türen. Drei davon geschlossen, die letzte offen. Aus ihr fällt Licht auf einen gelben Plastikkarren mit Besen, Mopp und Reinigungsflüssigkeiten. Rechts von mir sind eine Toilette und eine weitere Bürotür. Das Seitenteil ist verglast, und auf dem Namensschild aus Holznachbildung steht Dustin Hall, President.
    Mrs Smith sagte, Fred Jacobsens Büro liege direkt neben dem von Dustin Hall, aber das ist offensichtlich nicht so. Wer weiß, welche anderen Fehler ihrem schwächelnden Verstand noch unterlaufen sind? Vielleicht ist ja die ganze Geschichte mit den Logbüchern nur ein Hirngespinst. Zumindest hatte sie recht, was die Reinigungsfirma angeht. Ich entscheide mich für die erste Tür links. Sie öffnet sich leise, und im selben Augenblick erwacht der Raum zu strahlendem Leben. Es ist eine Personalküche, deren Deckenleuchte durch einen Bewegungsmelder eingeschaltet wird.
    Ich öffne die nächste Tür, und diesmal bleibt der Raum dunkel. Ich trete ein, mache hinter mir leise die Tür zu und drücke auf den Lichtschalter an der Wand. Das Büro ist klein und vollgepackt mit Möbeln – Schreibtisch, kleine Couch, Sessel, Couchtisch. Ein beigefarbener Lamellenvorhang verdeckt das Fenster. Ein metallener Aktenschrank in der Ecke ist so voll, dass die Schubladen nicht schließen, und überall auf dem Boden liegen Papierstapel. Man könnte meinen, das digitale Zeitalter wäre an diesem Raum vorbeigezogen.
    Das zwischen etlichen gerahmten Familienfotos hinter dem Schreibtisch an der Wand hängende Diplom wurde Frederick Prentiss Jacobsen von der Northeastern University anno 1982 überreicht. Mrs Smith hatte doch recht, wird mir bewusst. Jacobsen hat sehr wohl das Büro direkt neben Hall, es ist nur eben nicht gleich der nächste Raum. Jacobsen selbst, falls er der Mann ist, der auf einem der Fotos zwei Forellen hochhält, flankiert von zwei Jungs von etwa dreizehn und fünfzehn Jahren, scheint Anfang fünfzig zu sein. Korpulent, mit dünner werdendem blonden Haar, rosa Hängebacken und süßlich wässrigen Augen.
    Den Flur hinunter beginnt ein Staubsauger zu heulen. Ich schließe die Tür ab und drehe mich wie ein kleines Kind einige Male auf Jacobsens Kunstledersessel. Ich kann nicht leugnen, dass es ein gewisser Nervenkitzel ist, tatsächlich hier zu sein, unentdeckt

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