Die Frau, die niemand kannte: Thriller (German Edition)
Frau gesagt. Doch die Frau, die sie heute war, schwieg.
Die unausgesprochenen Worte hingen zwischen ihnen, drängten sich förmlich auf – eine perfekte Überleitung zu dem Geständnis ihrer eigenen Unaufrichtigkeit. Doch wie all die anderen Gelegenheiten ließ sie auch diese ungenutzt verstreichen, drehte den Spieß um und stürzte sich stattdessen kopfüber in die Offensive: Wieso hatte Dexter ihr all das die ganze Zeit verheimlicht?
Aber wie konnte ausgerechnet sie die Gründe für die Geheimniskrämerei anderer Leute hinterfragen? Sie konnte sich eine ganze Reihe von Gründen – guten Gründen – vorstellen, weshalb Dexter sie nicht eingeweiht hatte. Sie hatte definitiv kein Recht darauf, ihm diese Frage zu stellen.
Aber war nicht genau das der Punkt, um den es in einer Ehe ging? Dass man Fragen stellen durfte, die einem eigentlich nicht zustanden? »Wieso hast du mir nichts davon erzählt, Dexter?«
»Wann denn?«, fragte er. »Wann hätte ich dir davon erzählen sollen?«
Diesen Teil ihres Gesprächs hatte Kate im Geiste geprobt, wieder und wieder.
»Gleich zu Beginn, als ich auf diese lächerliche Idee gekommen bin?«, fragte er. »Als ich eine Prostituierte in London angeheuert habe, damit sie einen alten Dreckskerl von Kriegsverbrecher verführt, um sich Zugang zu seinem Computer zu verschaffen? Als wir nach Luxemburg gezogen sind, damit ich einen Waffenhandel in Afrika sabotieren kann? Du hättest mich doch auf der Stelle verlassen.«
Sie schüttelte den Kopf. Nein, das stimmte nicht. Oder etwa doch? Bisher hatte Kate keine Sekunde lang geglaubt, dass Dexter irgendetwas über sie wissen könnte, doch nun beschlichen sie leise Zweifel. Dexter war schlauer, als sie je für möglich gehalten hatte, durchtriebener und hinterhältiger. All die Jahre hatte sie ein völlig falsches Bild von ihm gehabt. Aber wie falsch?
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»Was machen wir jetzt mit dem FBI?«, fragte er. Zu diesem Zeitpunkt war Kate sich nicht darüber im Klaren, wie hinterhältig diese Frage tatsächlich war.
Nachdenklich blickte sie ins Leere. »Morgen früh rufe ich Julia an«, sagte sie und sah auf ihre Uhr. Die Jungs würden jeden Moment wach werden. »Und arrangiere ein Treffen.«
»Wieso?«
»Weil ich ziemlich sicher bin, dass sie mich bitten werden, ihnen zu helfen. Wahrscheinlich wollen sie, dass ich mich verwanze. Ich werde so tun, als wäre ich außer mir vor Wut, aber sie werden mich unter Druck setzen und mir drohen, dass sie uns das Leben zur Hölle machen werden, wenn ich nicht mitspiele.« Nun, da Kate es aussprach, hörte es sich an, als wäre dies genau der richtige Schritt. »Also werde ich mich dazu bereiterklären.«
Dexter zog die Augenbrauen hoch und beugte sich vor. »Und dann?«
»Und dann werden wir beide irgendwo hingehen, an irgendeinen halb öffentlichen Ort, als wollten wir sichergehen, dass wir nicht überwacht werden. Ein neutraler Ort, mit dem sie nicht rechnen. Ein Restaurant …« Kate hielt inne und versuchte sich den passenden Ort für eine derartige Begegnung vorzustellen.
»Ja. Und dann?«
»Dann ziehen wir eine Show ab. Als hätten sie uns in der Hand.«
30
Die Show war vorbei. Endlich. Der Wagen raste über die zweispurige Straße, die sich, unbeleuchtet und einsam, schnurgerade vor ihnen erstreckte. Die Reifen sirrten auf dem Asphalt, als sie durch die Dunkelheit auf die Lichter der Stadt in der Ferne zufuhren – nach Hause, zu ihren Kindern, um in ihr altes Leben zurückzukehren. Oder ein neues anzufangen.
Dexter fuhr schneller als sonst. Vielleicht hatte er im Restaurant zu viel getrunken, vielleicht war der Druck zu groß gewesen, eine Show für die beiden FBI-Agenten abziehen zu müssen, die am anderen Ende des Senders saßen und jedes Wort zwischen ihnen mithörten.
Sie ließen sich von der Stille im Wagen einhüllen, für einen kurzen Moment mussten sie nichts spielen. Dennoch war Kate sich überdeutlich einer riesigen Unwahrheit bewusst, die immer noch zwischen ihnen stand.
Sie blickte auf die Straße vor ihnen, auf die hypnotische gelbe Linie, die die Schwärze des Asphalts teilte. Mit einem Mal drohte sie eine Woge der Frustration zu übermannen.
Es reichte.
»Dexter«, sagte sie, fest entschlossen, es auszusprechen, bevor sie es sich noch einmal anders überlegen konnte, »könntest du bitte da vorn an der Raststätte anhalten?«
Dexter nahm den Fuß vom Gaspedal und warf ihr einen Blick zu.
»Ich muss dir etwas sagen.«
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Dexter hielt an und wandte sich
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